Im Portrait:Generationen auf dem Rummelplatz

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John-Ralf Basham klinkt die Sitze seines Kettenkarussells ein. Bis auf sechs Wochen im Jahr ist er mit seiner Familie auf Volksfesten unterwegs. (Foto: Hartmut Pöstges)

John-Ralf Basham ist seit 50 Jahren als Schausteller unterwegs, seit mehr als 20 Jahren kommt er auch nach Wolfratshausen. Beim Volksfest, das am Freitag beginnt, ist er mit seinem Kettenkarussell wieder dabei

Von Erik Häußler, Wolfratshausen

Das Grundgerüst steht, die Verblendungen sind angeschraubt, nun montieren Johnny und Manuel noch die Ketten und Sitze - dann steht das Kettenkarussell der Familie Lettner, ein Klassiker auf jedem Volksfest, vor der Wolfratshauser Loisachhalle. Seit rund 50 Jahren ist John-Ralf Basham, der Vater von Johnny und Manuel und Besitzer des Kettenkarussells, im Schaustellergewerbe dabei - fast sein ganzes Leben. Er ist damit groß geworden. Seit Generationen ist seine Familie mit verschiedenen Attraktionen unterwegs: Karussell, Riesenrad, Trampolin.

Auch nach Wolfratshausen kommt der gebürtige Pfälzer seit über 20 Jahren: "Wir waren schon auf dem alten Volksfestplatz mit dabei. Damals war natürlich noch alles größer", sagt Basham zurückblickend. Beim diesjährigen Volksfest, das bis vor zwei Jahren noch "Loisachdult" hieß, sind es aber nur noch 16 Schausteller: "Wir haben immer mehr Anfragen von Schaustellern, aber der Platz ist eben nicht größer. Er ist schon jetzt voll", sagt Marktleiter Peter Steinberger. Der alte Volksfestplatz an der Königsdorfer Straße musste vor Jahren zwei Supermärkten weichen. Daraufhin fiel das Fest lange komplett aus. Seit sechs Jahren gebe es das wieder, nun eben auf dem Platz vor der Loisachhalle, erklärt Steinberger. Er zieht seitdem eine durchwachsene Bilanz: "Am Anfang war es schon sehr mager. Im vorigen Jahr war es dann gut besucht. Die Schausteller sagen auch, es dauert vier bis fünf Jahre, bis es richtig angenommen wird."

Wer als Schausteller lebt, ist häufig mit solchen und anderen Problemen konfrontiert. Über zehn Monate war Karussellbesitzer Basham im vergangenen Jahr unterwegs. Aufbauen, einige Tage Betrieb bis zum späten Abend, abbauen und weiter zum nächsten Markt - von Februar bis kurz vor Weihnachten. "Seit zwei Jahren sind wir auch bei Weihnachtsmärkten dabei. Dort verkaufen wir Crêpes und Waffeln. Ansonsten geht im Winter halt nichts mehr." Nur rund sechs Wochen war Basham zuletzt zu Hause in Horgau bei Augsburg. Die restliche Zeit wohnt die ganze Familie in ihren Wohnwägen: zwei für die Söhne Johnny und Manuel und die Tochter Romina und einer für John-Ralf Basham, seine Frau Helen Lettner und den jüngsten Sohn Steven. Als die Kinder im schulpflichtigen Alter waren, gingen sie an die jeweilige Schule vor Ort. Meist nur rund zehn Tage, dann ging es weiter. Ein Leben auf 30 Quadratmetern, immer unterwegs - fast das ganze Jahr. Schaustellersein ist eben keine normale Arbeit. Auch kein Beruf, gelernt werden kann er nicht: "Das ist nur eine Berufsbezeichnung. Man eignet sich viel im Laufe der Zeit selbst an: Schweißen, Lackieren, Malen." Kein Beruf - vielmehr Berufung.

2,50 Euro kostet eine Fahrt mit dem Karussell der Lettners, das nächstes Jahr seinen 70. Geburtstag feiert. Ein großer finanzieller Spielraum bleibe der Familie damit nicht, sagt der Familienvater: "Es ist für uns schwieriger geworden. Dadurch, dass alles teurer geworden ist, haben die Leute auch weniger Geld zur Verfügung." Hohe Spritkosten, Instandhaltung, Versicherungen, Platzgelder und natürlich auch die Altersvorsorge belasten die Kasse. Dazu kämen teils noch unverständlich hohe Gebühren für Sondergenehmigungen beim Transport und für den Betrieb, schimpft John-Ralf Basham.

Früher habe er noch den ganzen Aufbau alleine gemacht. Die Jahre harter körperlicher Arbeit stecken dem 55-Jährigen in den Knochen. Schmerzen im Rücken, Bandscheibenprobleme - die typische Schaustellerkrankheit, sagt er. Heute übernähmen den Auf- und Abbau hauptsächlich Johnny und Manuel. Beide sind Anfang 20 und seit Kindertagen immer dabei. Auch die anderen Schaustellerkollegen kennt man. Familie Lettner-Basham ist in ganz Bayern und am Bodensee unterwegs, da trifft man oft dieselben Kollegen. "Geplant wird meist im Herbst für das darauffolgende Jahr", erklärt Basham. "Über die Schaustellerzeitschrift erfährt man, wo Märkte stattfinden und welche Attraktionen gesucht werden. Dann schreiben wir die Veranstalter an."

Geplant werden muss genau, kurze Strecken zwischen den einzelnen Märkten sind Pflicht - alles andere verursache hohe Kosten. Kosten, die gedeckt sein müssen. Hoffnung macht den Schaustellern in Wolfratshausen und auch dem Marktleiter Steinberger in diesem Jahr das neue Bierzelt mit Live-Musik. Rund 300 Besuchern soll es Platz bieten. "Wir erhoffen uns schon, dass durch das Bierzelt die Leute auch jeden Tag länger sitzen bleiben", sagt Basham und fügt lachend hinzu: "In Bayern kein Festzelt zu haben, ist eigentlich ja unmöglich."

Nach Ende des Volksfestes werden John-Ralf Basham und seine Familie zusammenpacken, damit sie einen Tag später schon wieder in Karlsfeld von Neuem beginnen können. Ein Ende seines Berufslebens ist für Basham noch nicht absehbar. Er müsse eben immer wieder los und raus, sagt er. Zurückblickend fügt er hinzu: "Ich würde diese Arbeit auf jeden Fall wieder wählen. Ich bin immer mit meiner Familie zusammen, wache mit meinem kleinen Sohn morgens auf und habe ihn ständig um mich. Das liebe ich daran so."

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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