Meistersolisten und Quartettissimo:Das Isartal leuchtet

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Das Armida Quartett bei den Meistersolisten in Icking... (Foto: Manfred Neubauer)

"Armida" und "Calidore": Zwei Streichquartette glänzen mit Kammermusik in Icking und Bad Tölz.

Von Friedrich-Karl Bruhns, Bad Tölz/Icking

... und das Calidore String Quartet bei Quartettissimo in Bad Tölz. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Es war ein bejubelter Saisonauftakt der Streichquartett-Reihe "Quartettissimo" in Bad Tölz am Freitag im Kurhaussaal mit dem mehrfach ausgezeichneten Calidore String Quartet aus New York. Als Verbeugung an ihre Heimat stand nach Beethovens A-Dur-Quartett op. 18/5 das dritte Streichquartett op. 34 von Erich Wolfgang Korngold auf dem Programm. Denn der frühere Wunderknabe wurde nach ersten großen Erfolgen, etwa mit der Oper "Die tote Stadt", später in den USA zum gefeierten Filmkomponisten. Auch dieses 1945 komponierte letzte Streichquartett zitiert aus seinen Filmen, überhaupt scheint noch viel mehr in diesem Werk typische Musik für die Leinwand zu sein. Dabei ist es eher umgekehrt: Korngolds Stil, seine Instrumentation und Harmonik sind oft so plastisch, dass andere Filmkomponisten davon inspiriert wurden - deshalb klingt Filmmusik oft wie von Korngold, auch noch von heutigen Stars wie John Williams.

Das vierteilige Werk sprüht vor Einfällen und Abwechslung. Dem vorwiegend schräg-dissonanten Kopfsatz folgt ein witziges, wirbelndes Scherzo. Der dritte Satz findet nach beklemmenden Harmonien in elegisch breiten Tempi immer wieder zu erlösenden Dur-Ruhepunkten zurück, ehe das Stück in einem hinreißend energischen Kehraus endet.

Das abschließende große G-Dur-Quartett D 887 von Franz Schubert hat seine Zeitgenossen schon von der schieren Dimension her (etwa 50 Minuten), aber vor allem durch die Komplexität der Komposition hoffnungslos überfordert: Schubert hat nur den ersten Satz gehört, als Ganzes wurde es erst mehr als 20 Jahre nach seinem Tod uraufgeführt.

Flirrende Tremolo-Folgen charakterisieren vor allem die ersten beiden Sätze, so etwas hatte man bis dato in einem Streichquartett nie gehört. Die horrenden technischen Anforderungen des Stücks scheinen nicht existent, wenn es von Musikern dieser Klasse aufgeführt wird mit ihrem feinen, ausgewogenen Klang. Nie drängt sich die führende Stimme rechthaberisch in den Vordergrund, sie bleibt immer primus/prima inter pares.

Schwieriges Werk leicht aufgenommen

Im Ickinger Rilke-Gymnasium endete am nächsten Tag das Konzertjahr der "Klangwelt Klassik" mit dem ebenso phänomenalen Armida-Quartett aus Berlin, das für Mozart einen ganz eigenen Tonfall entwickelt hat: warm, aber hörbar von historischer Aufführung beeinflusst. Mozarts Quartett Es-Dur, KV 428, ist das dritte der sechs Joseph Haydn gewidmeten Werke. Mozart schrieb in der Regel unglaublich schnell, aber an dieser Serie feilte er akribisch drei Jahre lang. Das musikalische Niveau seiner Hommage an den verehrten Freund und Lehrer ist bis dahin unerreicht, auch von Haydn selbst. Dichte Chromatik und überraschende Harmoniefolgen bestimmen das Geschehen im Es-Dur-Quartett.

Armidas hohe Klangkultur verbindet sich durchaus mit einem eher kernigen Zugriff, und das kam vor allem "Ainsi la Nuit" zugute, dem einzigen Werk für Streichquartett des Franzosen Henri Dutilleux. Auch Armida betören mit ätherischen, quasi durchscheinenden Passagen. Mindestens so prägend ist aber der kräftig-bestimmte Ton, mit dem das Stück ebenso auftritt. Obwohl es wirklich nicht eingängig ist, war die Reaktion bei fast allen im Saal begeistert. Es ist ein gutes Zeichen für die Entwicklung der Zuhörer, dass auch ein schwieriges Werk sie nicht mehr abschreckt, eher im Gegenteil.

Antonín Dvořák hat sein letztes Streichquartett As-Dur, op. 105, noch in Amerika begonnen, es aber erst später vollendet, als er endlich wieder in seiner geliebten tschechischen Heimat war. Und die wird in diesem herrlich melodienseligen Werk gefeiert, auch vom mitgerissenen Publikum.

An beiden Abenden schloss sich der Kreis mit den Zugaben, bei denen die so verschiedenen, aber gleichermaßen großartigen Ensembles auf die eingangs gespielten Komponisten zurückkamen: Calidore mit der atemberaubenden Stretta aus Beethovens op. 18/4, Armida verzauberte mit einem berührenden Satz aus Mozarts frühem Divertimento KV 138.

Tölzer Bekenntnis zur Kultur

"Quartettissimo" ist mittlerweile auch Herzenssache der Stadtoberen. Das zeigte sich, als - wie dort üblich - einer der Bürgermeister, Christof Botzenhart die Begrüßungsansprache hielt und von der "Streichquartettstadt Bad Tölz" sprach. Hoffentlich bekennt sich auch die Gemeinde Icking eines Tages so mit berechtigtem Stolz zu ihrem kammermusikalischen Juwel. Dafür haben beide Isartal-Konzertreihen etwas gemein, das man sich selbst von großen Veranstaltern oft vergeblich wünscht: Alle Konzertprogramme informieren vorbildlich zum zeitlichen und gesellschaftlichen Umfeld der Werke, vor allem bieten sie präzise Analysen und Beschreibungen anhand von Notenbeispielen - und die Programme sind auch nicht teurer als üblich. Es lohnt sich also unbedingt, die Hefte von Susanne Kessler (Bad Tölz) und von jeweils verschiedenen, aber gleichwertigen Autoren (Icking) zum Nachhören daheim noch einmal zur Hand zu nehmen.

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