Hilfe für Hartz-IV-Familien:Bildungspaket findet wenig Abnehmer

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Bislang wurde für jedes zehnte berechtigte Kind im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ein Antrag auf Unterstützung gestellt - Kritiker bemängeln bürokratische Hürden.

Susanne Hamann

Eine erste Bilanz des von der Bundesregierung neu aufgelegten Bildungspakets fällt im Landkreis durchwachsen aus. Nach Angaben des Jobcenters Bad Tölz wurde für 86 von insgesamt 800 Kindern aus Hartz-IV-Familien eine der Leistungen beantragt. Von den 86 Kindern erhielten 50ein warmes Mittagessen, 28 Unterstützung für Klassenfahrten und Vereinsmitgliedschaften und acht Nachhilfeunterricht.

Warum sich insgesamt relativ wenige für das Angebot interessieren, ist im Landkreis umstritten. "Wir erklären uns das dadurch, dass die Maßnahmen ja nicht neu sind," sagt Andreas Baumann, Leiter des Jobcenters Bad Tölz. "Mittagessen, und Bezuschussung zu Klassenfahrten gab es ja schon vorher von Gemeinden und Trägervereinen. Die Leute müssen erst merken, dass der Prozess jetzt anders ist." An einen Mehraufwand durch den neuen Antrag glaubt Baumann nicht. "Das Formular ist so simpel, da kann man gar nichts falsch machen."

Anders sieht das der Leiter der Caritas-Beratungsstelle Bad Tölz, Andreas Brommont. "Die Leute sind es leid, für jeden kleinen Zuschuss einen neuen Antrag zu stellen." Sie seien durch die vielen Anträge, die sie für die Sozialhilfe ausfüllen müssten ohnehin überfordert. Da werde ein weiteres Formular etwa für den Schwimmunterricht des Kindes, egal wie einfach es strukturiert ist, schnell weggelassen, sagt Brommont. Viele hofften deswegen gar, die Caritas-Helfer füllten den Bogen im Beratungsgespräch für sie aus. Auch einen Mangel an Informationen sieht Brommont als einen Grund für die geringe Inanspruchnahme der Leistungen. "Gerade Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht viel aus ihrer Wohnung herauskommen, hören zwar von dem Paket, aber sie verstehen es nicht." Nach Überzeugung des Caritas-Mitarbeiters müsste es eine Art Übersetzer geben, der den Menschen das Bildungspaket und die Formulare erklärt. Diese Aufgabe liegt nach Brommonts Ansicht bei den Sozialarbeitern in den jeweiligen Kommunen. Sie sollten ihren Klienten erklären, welchen Nutzen sie aus dem Paket ziehen könnten und wie das zu bewerkstelligen sei. Änderungsbedarf an dem Paket selbst sieht Brommont bei den Vereinsmitgliedschaften. Der Vereinsbeitrag sei zwar gedeckt, aber die wesentlich höheren Anschaffungskosten für Instrumente oder Sportbekleidung müssten die Eltern aus eigener Tasche bezahlen. So könne das Angebot natürlich kaum jemand annehmen.

Trotz der scharfen Kritik am Hartz-IV- Bildungpaket auf Bundesebene sind sich Brommont und Baumann letztlich in einem einig: Sie halten das neue Bildungspaket für sinnvoll. "Wer Interesse daran hat, seine Kinder zu fördern, erhält hier gute Unterstützung," sagt Baumann dazu. Und auch wenn manches verbesserungsfähig sei, so werde über das gewählte Prozedere auf jeden Fall sichergestellt, dass die Maßnahmen wirklich direkt bei den Kindern ankämen.

Wer zum Beispiel Nachhilfe für sein Kind möchte, muss das Formular beim Jobcenter ausfüllen. Er erhält einen Antrag, den der Lehrer hinsichtlich der Lernschwäche und benötigten Stundenzahl des Schülers ausfüllt, und das Arbeitsamt überweist anschließend den anfallenden Betrag direkt an das Nachhilfeinstitut. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten hat der Bund die Anmeldefrist für Leistungen aus dem Bildungspaket verlängert. Noch bis Ende Juni können rückwirkend Anträge für das laufende Schuljahr gestellt werden.

© SZ vom 06.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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