Kriminalität:Darum lehnt Geretsried die Sicherheitswacht ab

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Das Rathaus sieht keine Brennpunkte und keinen Bedarf in der Stadt. Stattdessen beraten die Politiker über einen eigenen, professionellen Ordnungsdienst.

Von Claudia Koestler, Geretsried

Während sich Wolfratshausen kürzlich mit großer Mehrheit für die Einführung einer freiwilligen Sicherheitswacht aussprach, sind keine zehn Kilometer weiter die Verantwortlichen gänzlich anderer Ansicht: Die Geretsrieder Stadträte lehnten die Einführung einer Sicherheitswacht ab, und zwar in einer nicht öffentlichen Sitzung.

"Kein Bedarf. Es gibt in Geretsried keine Brennpunkte, die das nötig machten", mit diesen wenigen Worten begründet die Geschäftsleiterin im Rathaus, Ute Raach, die Entscheidung. Weiter will sie sich nicht zur Debatte äußern, auch nicht zu den Gründen für eine nicht-öffentlichen Diskussion. Bürgermeister Michael Müller (CSU) war am Donnerstag ebenso wenig zu erreichen wie seine Stellvertreter.

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Robert Lug, erklärte hingegen auf Nachfrage, dass sich während der Debatte ein klares Meinungsbild unter den Gremiumsmitgliedern abgezeichnet habe: "Wir glauben, dass eine Sicherheitswacht nicht das bringt, was man sich vielleicht von ihr erhofft", fasst er zusammen. Das Thema sei insbesondere nach dem Doppelmord in Höfen bei Königsdorf hochgekocht. "Aber eine Sicherheitswacht kann solche Verbrechen nicht verhindern und auch nicht behindern", ist Lug überzeugt.

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Grundsätzlich, so rekapituliert er die Meinung der Räte, dürfe man die öffentliche Sicherheit nicht auf Ehrenamtliche abwälzen: "Stattdessen muss die Polizei besser ausgestattet werden, insbesondere personell", fordert er. Was eine Sicherheitswacht im Gegensatz zu Polizeibeamten leisten könne und vor allem dürfe, "das ist ein ziemlich stumpfes Schwert".

Ein Beispiel Lugs: Wenn Radfahrer unerlaubterweise den Bürgersteig benutzten und von einem Ehrenamtlichen der Sicherheitswacht aufgehalten würden, dann dürfe dieser zwar die Personalien des Radfahrers feststellen. "Wenn sich der Radfahrer jedoch weigert, seine Personalien preiszugeben, dann kann die Sicherheitswacht nichts anderes tun, als Polizeibeamte hinzurufen. Und das macht die Ehrenamtlichen zu nichts weiter als zu Telefonstationen für die Polizei", sagt Lug. Die Geretsrieder Stadträte hätten während der Debatte auch die Befürchtung geäußert, es könnte dadurch zu einer Mehrung von Bagatellfällen kommen.

"Wir haben eine Menge mündiger Bürger in Geretsried. Es wäre in unseren Augen wichtiger, dass alle Bürger ermuntert werden und sich aufgerufen fühlen, die Augen offen zu halten und Auffälligkeiten zu melden, und nicht nur eine ausgewählte Gruppe", sagt Lug. Für solch bürgerschaftliche Wachsamkeit gebe es in der Region ein so prominentes wie erfolgreiches Beispiel: Vor einigen Jahren hätten aufmerksame Bankangestellte einer Filiale in Waldram bemerkt, dass ein Auto mit fremden Kennzeichen auffällig oft vor dem Kreditinstitut hin- und her fuhr. Sie meldeten die Beobachtung der Polizei, die daraufhin das Fahrzeug und die Insassen kontrollierte und feststellte, dass diese tatsächlich einen Bankraub geplant hatten.

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Allerdings sei laut Lug eine Alternative zur Sicherheitswacht diskutiert worden, nämlich die Einführung eines städtischen Ordnungsdienstes. "Denn eine Institution etwas unterhalb der Polizei wäre durchaus wünschenswert", sagt Lug. Ein solcher Ordnungsdienst könnte ihm zufolge delegierte Rechte wie etwa das Hausrecht ausüben. "Wir haben zum Beispiel immer wieder Probleme an den Spielplätzen mit Menschen, die dort Bier trinken, den Platz vermüllen oder ihre Hunde dort austreten lassen. Ein Ordnungsdienst könnte hier, anders als ein Sicherheitswacht, das Hausrecht bemühen und Platzverweis erteilen." Allerdings würde die Einrichtung eines solchen Ordnungsdienstes "nicht unerhebliche Kosten mit sich bringen", sagt Lug. Warum Geretsried das Thema nicht-öffentlich behandelte, erklärt der Fraktionsvorsitzende so: "Es ist ein sehr sensibles Thema, da gehen schon mal die wildesten Gerüchte um." Um die Debatte nicht noch zu befeuern, sei die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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