Made in Geretsried:Werbefilm für den Wirtschafts-Standort

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Bürgermeister Michael Müller (CSU) gießt für den Werbefilm einen Jungen, um zu zeigen, dass dessen Jacke wasserdicht ist. Der Stoff ist natürlich "Made in Geretsried". (Foto: oh)

Die Stadt stellt einheimische Betriebe vor, die international zu den besten zählen, doch kaum bekannt sind.

Von Pia Ratzesberger, Geretsried

Es gibt Städte, die sind so eng mit den Namen deutscher Firmen verwoben, dass sie untrennbar scheinen: Audi und Ingolstadt wären solch ein Beispiel, Adidas und Herzogenaurach oder auch Opel und Bochum - wo die gedankliche Verbindung selbst noch währt, obwohl die Autofirma doch schon vor Monaten die Tore ihrer Werke zugesperrt hat. Geretsried aber, der Stadt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mit nahezu den meisten größeren Unternehmen, fehlt bisher ein derart außenwirksamer Partner, der im besten Fall nicht nur neue Mitarbeiter anzieht, sondern auch weitere Betriebe. Selbst die Geretsrieder wissen manchmal nicht genau, was in den Fabrikhallen ihrer Stadt eigentlich gefertigt, an was in den Bürogebäuden gearbeitet wird. Das Rathaus will das mithilfe eines siebenminütigen Imagefilms zum "Wirtschaftsstandort Geretsried" ändern. Der Hochglanz-Werbetrailer wurde am Montagnachmittag das erste Mal im großen Sitzungssaal gezeigt.

Schüler der Karl-Lederer-Schule erzählen darin sichtlich bemüht von den Berufen ihrer Eltern, begleiten sie in die Betriebe und erfahren dort etwa beim Hersteller Tyczka aus der Blumenstraße, dass man "mit Flüssiggas ganz tolle Sachen machen kann." Zudem lernt der Zuschauer, dass für "weltweit führende Fluggesellschaften" Rohi Stoffe aus der Schönlinderstraße nicht selten die Sitzbezüge liefert. Auch Bürgermeister Michael Müller (CSU) hat schließlich seinen Auftritt: Er gießt Wasser über den Anorak eines Jungen, um zu beweisen, dass Rudolf Chemie aus der Altvaterstraße solche Jacken auch wirklich wasserfest macht.

Der Film will also nur eines sagen: "Seht mal her, was wir hier in Geretsried alles können!". Der Bürgermeister allerdings ist dann auch schon das Einzige, was in diesem Film an Geretsried erinnert. Denn wüsste man nicht, dass die Stadt sich mit diesem Trailer selbst bewerben will - man könnte meinen, das Ganze sei allein ein Produkt der Firmen.

Zum ersten Mal aber betreibt die Stadt so viel Aufwand, um auf ihre ökonomischen Vorteile aufmerksam zu machen, es ist der erste Imagefilm dieser Art. Was der Trailer gekostet hat, will man in der Stadtverwaltung nicht sagen. Im Sommer vergangenen Jahres hat die Firma MekkMovie aus Bad Tölz ihn gedreht, der Trailer soll von nun an auf der stadteigenen Homepage, der Facebook-Seite und womöglich auch einem neuen Youtube-Kanal beworben werden. "Wir setzen vor allem auf den Überraschungseffekt", sagt Annette Hilpert aus der Stadtverwaltung, zuständig für Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und Tourismus. Sie weiß, dass Geretsried durchaus noch überraschen kann - weil viele den Standort noch nicht kennen.

Oder ihn verkennen. Während manche Geretsried im Vergleich mit Wolfratshausen und Bad Tölz noch immer als weniger attraktiven Ort abtun, dem zum Beispiel ein altes, gewachsenes Stadtzentrum fehlt, findet Hilpert solche vermeintlichen Mängel vernachlässigbar: "Wir haben eine gute Lage, eine gute Anbindung, günstigen Wohnraum und eine breite Schullandschaft", sagt sie. Und natürlich: viele unbekannte Firmen. "Wir benutzen im Alltag, ohne es zu wissen, viele Produkte aus Geretsried", sagt Bürgermeister Müller.

Ihm zufolge würde wohl kaum jemand vermuten, dass die New Yorker Symphoniker teils mit Instrumenten aus der 24 000 Einwohner-Stadt spielen - "ist aber so, manche kommen von der Firma Melton Meinl Weston", sagt Müller. Der Blechblasinstrumenten-Bauer zählt mit seinen etwa 20 Mitarbeitern zu den kleinen Unternehmen in Geretsried, doch selbst die größeren Unternehmen wie Tyczka, das bundesweit eigenen Angaben nach mehr als 350 Mitarbeiter beschäftigt, kennt abseits der Stadt kaum jemand.

"Hidden champions" nennt man solche Betriebe, die international zwar zu den Besten in ihrer Branche gehören, aber in der Bevölkerung nicht bekannt sind. Den Städten, in denen sich diese Unternehmen niedergelassen haben, entgehen damit im Zweifelsfall ziemlich viele Einnahmen.

Denn wenn der Standort Geretsried und all die dort angesiedelten Unternehmen vielen gar nichts sagen, verhindert das nicht nur, dass qualifizierte Mitarbeiter aktiv bei diesen Firmen nach Jobs suchen - und damit nach Geretsried ziehen, dort Steuern zahlen, einkaufen, schlichtweg: Geld bringen. Sondern es verhindert auch, dass Unternehmen nachziehen, die mit Betrieben in Geretsried kooperieren und weiteres Wachstum generieren, etwa Zulieferer oder Unternehmen, die Produkte der anderen weiterverarbeiten.

Momentan bewirbt die Stadt ihr neues Gewerbegebiet Gelting-Ost, Hunderte neue Arbeitsplätze sollen entstehen, ein Imagefilm zum Wirtschaftsstandort passt da natürlich gut. Bürgermeister Müller aber will von dieser Verbindung nichts wissen, das habe "nichts miteinander zu tun", sagt er. Bisher ist bekannt, dass das Logistikunternehmen Loxxess seinen Standort von Wolfratshausen in das neue Areal nach Geretsried verlegen wird - mit weiteren Interessenten sei man derzeit noch im Gespräch, heißt es aus dem Rathaus.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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