Geretsried:Klage gegen Neubau am Karl-Lederer-Platz

Lesezeit: 3 min

Die Bürgerinitiative will in zwei Wochen 15 000 Euro für einen Anwalt sammeln. Die für die Anwohner anstrengendste Phase ist bald vorbei.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Am Montag um sieben in der Früh geht's wieder los. Aber am Freitag und übers Wochenende haben die großen, schweren Bohrer, die bis zu elf Meter tief in den Karl-Lederer-Platz (KLP) in Geretsried eindringen, Pause. "Das freut die ältere Dame vom Martin-Luther-Weg", sagt Christoph Gottanka und zeigt quer über die etwa 4000 Quadratmeter große Baugrube zu einem Wohnhaus. "Die hat das jetzt vier Tage lang aushalten müssen." Der Projektleiter der Großbaustelle KLP kennt schon einige Anwohner persönlich. Der Bauingenieur betreut für seinen Arbeitgeber, die Krämmel Bau, auch größere Vorhaben in München - ein Boarding-House in Riem zum Beispiel mit 230 Wohnungen und Tiefgarage. Aber so unmittelbar wie in Geretsried sei der Kontakt zu Anwohnern in der Metropole nie, sagt er. Und nach all der massiven Kritik, die sich an der Umgestaltung des Platzes vor dem Rathaus zu einem Zentrum mit siebengeschossigen Wohn- und Geschäftshäusern entzündet hat, ist Gottanka froh über seine Erfahrungen an Ort und Stelle: "Wenn mich Anwohner angesprochen haben, war es immer nett und konstruktiv." Sorgen könne er allemal verstehen, sagt er, aber reden müsse man halt miteinander.

Die Bürgerinitiative (BI) KLP gibt sich noch nicht zufrieden. Die von Patrik Kohlert geleitete Gruppe will gegen die Ablehnung ihres Bürgerbegehrens klagen. Kohlert spricht von "guten Erfolgsausichten", doch der "kleine Kreis von Privatpersonen" könne sich eine Klage nicht leisten. Einen Hieb verkneift er sich dabei nicht: "Leider verfügen die Initiatoren und deren Unterstützer nicht über dieselben finanziellen (Steuer-)Mittel wie Stadt oder Investor." Die BI geht deswegen Spenden für Anwalts- und Verfahrenskosten sammeln: 15 000 Euro sollen aufgebracht werden, bis 3. August, da sonst die Frist ablaufe.

Für Bauleiter Christoph Gottanka ist es eine ganz normale Baustelle, für die Anwohner ein Riesenprojekt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bis dahin werden auf der Baustelle noch etliche Betonpfähle in den Grund gesetzt worden sein. Mit diesen und mit Spundwänden wird die Baugrube umschlossen. Bis Mitte August, so schätzt Gottanka, werde dies fertig sein: "Dann geht's an den Rohbau." Der für die Anwohner nervigste Abschnitt sei damit erledigt, denn Lärm und Vibrationen seien jetzt am schlimmsten. Zwar lägen die Erschütterungen im unteren Drittel des Zulässigen, dennoch könnten Anwohner schon mal feststellen, dass bei ihnen ein Glas auf dem Tisch wackle. Einer sei zu ihm gekommen und habe gesagt, er selbst spüre die Vibrationen, aber er habe das Gefühl, noch stärker spüre sein Kater sie.

Die Tiefgarage, die als Erstes gebaut wird, entsteht in zwei Bauabschnitten, heuer und kommendes Jahr. Die eingeschossige Garage liegt vier Meter unter der Erde (der Fachmann spricht von "minus vier Meter"), ein Teilbereich für die Technik wird zweigeschossig ("minus acht Meter"). Um das Grundwasser umzulenken, werden Düker gesetzt. Ein Verfahren, das der Bauleiter nicht nur theoretisch, sondern aus eigener Anschauung kennt. Während seines Studiums habe er an einer Begutachtung der alten U-Bahn-Düker in München teilgenommen, sagt er.

Am Montagmorgen wird auf dem Karl-Lederer-Platz wieder der große Bohrer angesetzt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch die in Geretsried so sehr beargwöhnte Höhe des Krämmel-Baus ist für Gottanka wenig spektakulär: "Das ist in München Standard." Allerdings verstehe er, dass es "für Geretsried nicht gewöhnlich" sei. Gerade auf dieses Neue freut sich einer der Geschäftsleute in der Nachbarschaft. Josef Frankenberger, Inhaber des Juwelierladens, findet: "Es muss eine Veränderung stattfinden. Für die nächste Generation." Er habe sein Geschäft seit fast dreißig Jahren. Und bisher könne er durch die Baustelle keine Einbußen feststellen. Natürlich sprächen ihn Kunden auf die Beeinträchtigungen an, aber: "Wenn gebaut wird, ist es halt so, das muss man akzeptieren." Seine Nachbarin, die Boutiqueninhaberin Daniela Waal, stimmt zu: "Wir sind die einzigen, die sich nicht beschweren." Silvia Ulbrich hingegen sagt, in ihre Buchhandlung kämen nun doch weniger Kunden: "Es ist halt Lärm und Dreck." Überdies sei vielen noch nicht klar, dass vor und hinter dem Rathaus eigens Parkplätze für die Öffentlichkeit freigegeben wurden. Darauf wiederum macht die Stadt inzwischen mit Bannern am Bauzaun aufmerksam. Und sie will nach Auskunft von Bürgermeister Michael Müller (CSU) mit einer Website, einem Flyer, einer Projektausstellung, Baustellenführungen und Anliegergesprächen den Informationsfluss verbessern.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: