Erinnerung an einen Maler der Sechziger und Achtziger:Ein Tölzer Original

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Alfred Lehmann-Meder alias Corelli alias Ricci hatte sein Atelier in einem früheren Lebensmittelladen. Jetzt ist eine Retrospektive zu sehen.

Von Felicitas Amler

Die charakteristischen Stillleben dieses Malers sind auf den ersten Blick zu erkennen. Der Aufbau: zwei hohe, schlanke Karaffen, eine davon mit Schnabel, davor ein Wasserglas, drumherum ein wenig prallrundes Obst. Die Farben: stark und entschlossen, intensives Blau vor knalligem Rot, leuchtendes Gelb und Orange vor Grün. Die Signatur: Corelli. So hat sich der Maler Alfred Lehmann-Meder (1909-1986) genannt - ein Tölzer Original der Sechziger- bis Achtzigerjahre. In der allerersten öffentlichen Ausstellung, die in Bad Tölz von ihm zu sehen ist, fällt unter fast fünfzig Gemälden ein ungewöhnlich kleines auf. Und scheint sich sofort als Corelli-Stilleben mit zwei Flaschen, einem Glas und ein wenig Obst zu erkennen zu geben. Wenn da nicht diese Signatur wäre: "Kay". Sollte das ein weiterer Künstlername des Mannes sein, der meist mit Corelli, gelegentlich mit Meder, mal mit Lehmann-Meder und mal mit Ricci (sein zweiter Vorname war Richard) zeichnete? Eines der letzten ungelösten Rätsel. Viele andere hat Markus Elsner mit journalistischer Akribie aufgedröselt.

Elsner, 59, stammt aus Westfalen, hat viele Jahre als Nachrichtenjournalist gearbeitet, lebt in Frankfurt und kennt die Gegend um Bad Tölz seit seiner Kindheit. Sein Vater war in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs nach Lenggries "landverschickt" worden. Als 14-Jähriger habe er sich in einem riesigen und gefährlichen Abenteuer wochenlang wieder nach Hause - nach Gelsenkirchen - durchgeschlagen, erzählt sein Sohn. Die Zeit in Lenggries aber sei ihm in so guter Erinnerung geblieben, dass der Ort später zur ständigen Urlaubsadresse der Elsners wurde.

Markus Elsner stellt Arbeiten des Malers Alfred Lehmann-Meder aus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Mit fünf Jahren habe ich am Brauneck Skifahren gelernt", sagt Markus Elsner. Und nach unzähligen Aufenthalten seien seine Eltern sogar ganz nach Bad Tölz gezogen. Der Vater starb vor viereinhalb Jahren, die Mutter lebt heute in einem Seniorenheim in Frankfurt. Zeit für die drei Kinder, die Wohnung in Tölz aufzulösen.

Möbel und Hausrat sind nun weg. Aber die Gemälde, die an den Wänden hingen oder sich zusätzlich in Ecken und Winkeln fanden, werden an diesem Wochenende in der Wohnung öffentlich zu sehen sein. Denn dass man Kunst nicht verramscht oder gar wegwirft, das gebiete der Respekt vor dem Künstler, findet Elsner, der seit einigen Jahren selbst von der Kunst der Fotografie lebt.

Markus Elsner kannte den Maler Corelli seit seiner Kindheit. Sein Vater sei damals auf den Mann gestoßen, der in einem ehemaligen Lebensmittelladen am Tölzer Maierbräugasteig sein Atelier hatte, sagt er. "Mein Vater war stolz wie Oskar, einen Maler entdeckt und lieb gewonnen zu haben." Viele Ölgemälde - Stillleben, Landschaften, Blumenbilder, auch Abstraktes - hätten sich im Hause Elsner angesammelt oder seien zu Geburtstagen und Goldenen Hochzeiten an Freunde und Verwandte verschenkt worden. Markus Elsner bekam als Bub ein Bild von Corelli selbst geschenkt; natürlich ist es in der Ausstellung zu sehen: drei mit leichter Hand skizzierte Boote, sommerlich farbenfroh koloriert. Das Werk ist mit "Ricci" signiert.

Lehmann-Meder hatte sein Atelier am Maierbräugasteig. (Foto: Privat/oh)

Diese Signaturen! Elsner konnte sie nicht zuletzt mit Unterstützung der Witwe Johanna Lehmann zuordnen. Als er sich entschlossen hatte, die Gemälde öffentlich zu präsentieren, wollte er auch alles über den Künstler wissen. Er sprach mit Tölzern, mit Kunsthändlern und erfuhr, die zweite Frau Lehmann-Meders lebe noch. In Tölz. Der Journalist begann zu arbeiten: "Wie heißt sie?" - "Wissen wir nicht." "Wo wohnt sie?" - "Wissen wir nicht." Elsner erzählt, wie er sich schließlich in einem einstündigen Marsch den Maierbräugasteig hinauf durchgefragt habe, wo er Johanna Lehmann zu finden hoffte. "Es war das allerletzte Haus, und sie war nicht da." Telefonisch erreichte er sie dann aber, die beiden stehen inzwischen in gutem Kontakt miteinander. Und die 82 Jahre alte Witwe des Malers Corelli, die dessen Atelier noch zehn Jahre über seinen Tod hinaus weiter betrieben hatte, wird an beiden Ausstellungstagen anwesend sein.

Die hellwache Johanna Lehmann sagt, sie freue sich sehr, "dass man das alles ausgräbt". 1982 war sie als Krankenschwester aus Berlin nach Bad Tölz gekommen und hatte im selben Jahr ihren späteren Ehemann kennengelernt - am Atelier. Wie? Sie lacht: "Er schaute raus, ich schaute rein, und es war passiert." Zwei Jahre später heirateten die beiden: "Es war die schönste Zeit damals." Lehmann ist sehr berührt davon, dass nun, fast dreißig Jahre nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, Rückschau auf sein Werk gehalten wird. "Es hat sich niemals irgendjemand mehr gekümmert um die schönen Dinge meines Mannes", sagt sie. "Das ist richtig verloren gegangen."

Ein Corelli, den Markus Elsner besonders liebt: Ihm gefällt, wie der Künstler mit Farbe gestaltete. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ganz verloren ist freilich nichts. Seit in und um Tölz bekannt wurde, dass Markus Elsner eine Corelli-Retrospektive plant, hat mancher zu Hause gestöbert und Bilder des Malers hervorgekramt, den man in Tölz seinerzeit gut kannte. Er habe seine Arbeit zwar nie in einer Ausstellung präsentiert, aber viel, sehr viel verkauft, berichten seine Witwe und Markus Elsner. Oft habe er auch vor seinem Atelier gemalt, so dass die Passanten darauf aufmerksam wurden. Ortsansässige wie Touristen hätten seine Bilder erworben, amerikanische Soldaten, die noch in Tölz waren, hätten sich malen lassen und Kunsthändler Aufträge erteilt - oft seien das gefällige Blümchengemälde gewesen. "Aber seine große Leidenschaft war das Abstrakte", sagt Elsner. Und auch dafür sind Beispiele in seiner kleinen Werkschau zu sehen.

Elsners persönliches Lieblingsgemälde ist ein schmales Bild, das auf knallrotem Hintergrund flanierende Menschen zeigt. Wie der Künstler mit Farbe umgegangen sei, wie er auf diesem Bild offenbar mit schneller Geste den Figuren Gestalt und Bewegung gegeben habe - das gefällt Elsner. Es ist das einzige Gemälde, das er am Wochenende ganz sicher nicht verkaufen will.

Der Tölzer Maler Corelli: Ausstellung, Samstag, 19. August, 15 bis 18 Uhr, Sonntag, 20. August, 11 bis 17 Uhr, Karwendelstraße 7b, Bad Tölz, Eintritt frei

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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