Erdwärme:Endspurt in 4800 Metern Tiefe

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Die Bohrung für das Geltinger Geothermiekraftwerk ist fast abgeschlossen. Ob dort Wasser fließt, muss ein Pumptest zeigen

Von Claudia Koestler, Geretsried

Die Bohrungen nach Thermalwasser für eine Geothermieanlage am Hofgut Breitenbach auf Geltinger Flur sind weit fortgeschritten: Im Laufe dieser Woche will die Firma Enex Power Germany die ersten Pumptests durchführen. Und bis Ende September soll dann das Ergebnis vorliegen, ob dort tatsächlich ausreichend Heißwasser aus der Tiefe sprudelt, um es für Stromerzeugung und Wärme zu nutzen. "Wir haben momentan noch etwa 300 Meter vor uns, bis wir mit der Bohrung bei unserer Zielmarke von etwa 5700 Metern angekommen sind", erklärt Geschäftsführer Robert Straubinger.

Die erste, 35 Millionen Euro teure Bohrung in Gelting war 2013 bekanntlich noch fehlgeschlagen: Insgesamt betrug die Bohrstrecke 6037 Meter, damals die längste ihrer Art. Aber das Gestein, das sie in dieser Tiefe vorfanden, war extrem kompakt und vor allem zu trocken. An der Oberfläche kam in der Folge zwar sehr heißes, aber viel zu wenig Wasser an.

Beim derzeitigen zweiten Versuch wird Enex nun wissenschaftlich unterstützt: Die Technische Universität München, das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik aus Hannover und erfahrene Ingenieurbüros begleiten die Bohrung. Denn sie soll den Beweis erbringen, dass nutzbares Heißwasser nicht nur in porösen, durchlässigen Gesteinschichten wie Riffstrukturen oder in bereits zerbröseltem Material zu finden ist, sondern auch in sogenannten Kluftzonen. Eine erfolgreiche Bohrung in Gelting wäre damit zukunftsweisend für den weiteren Ausbau geothermischer Projekte zur regenerative Strom- und Wärmeversorgung in der Region.

Für den derzeitigen Versuch nutzt Enex das bestehende Bohrloch, doch bei rund 4200 Metern scherte der Meißel aus und grub sich fortan seitlich weiter in die Tiefe. Hat er die verbliebenen 300 Meter geschafft, wird er dann insgesamt eine Strecke von 5700 Meter zurückgelegt haben - und schließlich in einer Tiefe von 4852 Metern landen.

"Spannend ist's zurzeit", verrät Straubinger. Denn das Verhalten des Bohrmeißels in der Tiefe sei anders als bei der ersten Bohrung vor fünf Jahren, was er grundsätzlich schon einmal positiv werte. Damals habe sich der Meißel durch die Kalkschichten "wie durch Beton" gefressen. Nun aber zeige die Maschine immer wieder unterschiedliche Bohrgeschwindigkeiten, "also eher wie in Schotterbereichen". Außerdem hätten sie bei den Spülungen Wasserverluste bemerkt, berichtet der Geschäftsführer. "Auf der rund vier Kilometer langen Bohrstrecke sind uns ein paar Kubikmeter Wasser abhanden gekommen", sagt Straubinger. Seine Theorie: "Wo Wasser rein fließt, kann auch Wasser raus fließen." Für ihn sei damit klar, dass es in der besagten Tiefe Holräume gebe. Es sei zwar denkbar, dass diese Hohlräume keine Anbindung an Wasser haben, "aber das ist unwahrscheinlich." Straubinger hofft stattdessen, dort auf etwa 150 Grad heißes Wasser zu stoßen. Wenn dann auch noch mehr als 60 Liter Wasser pro Sekunde sprudeln, wäre es für Enex ein wirtschaftlicher Erfolg.

Bevor allerdings erste Pumptests Ergebnisse liefern, muss das Bohrloch erst gespült werden, ein sogenannter "Reinigungslift". Im Anschluss wird es mit einer "Säuerung" vom Kalk befreit, der sich entlang des Tracks angelegt hat. Dazu wird Salzsäure verwendet, um die verstopften Poren zu befreien. "Das funktioniert genauso wie bei jedermann in der Küche oder im Bad", sagt Straubinger. "Bei Verstopfung einfach Rohrreiniger rein." Auch wenn es so klinge, schade die Salzsäure der Umwelt nicht. Denn die Säure werde durch den Kalk neutralisiert.

Rund 14 Tage werden die Reinigungsarbeiten dauern, bis dann der erste richtige Pumpversuch starten kann - der wiederum etwa drei Tage dauert. Inzwischen wurden auf dem Gelände vier Testwasserbecken eingerichtet, in die das Heißwasser aus der Tiefe zunächst fließen soll. Ist es dort abgekühlt, wird es nach und nach in den Loisach-Isar-Kanal geleitet. Allerdings nur, wenn Laboranalysen vorher eine unbedenkliche Zusammensetzung des Wassers bestätigen. Sollte es diesmal ausreichend sprudeln, würde das Wasser aus der Tiefe in einem geschlossenen Kreislauf über ein zweites Bohrloch wieder zurück ins Erdinnere geführt.

Falls der erste Pumptest noch kein ausreichendes Ergebnis bringt, setzt Enex eine zweite Säuerung und einen zweiten Pumptest an. Sollte es dann noch immer kein klares Ergebnis geben, würden alle Beteiligten beraten, ob weitere Versuche gestartet werden. Doch Straubinger ist zuversichtlich, dass solche Überlegungen nach dem erst Test Ende September nicht mehr nötig sind.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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