Energiewende im Landkreis:Strom aus dem heißen Untergrund

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Geothermie könnte mit hoher Versorgungssicherheit auch Fernwärme liefern. Im Landkreis gibt es drei Projekte.

Matthias Köpf

Die Energiewende hängt vom Wetter ab - zumindest was die Stromerzeugung mit Windkraft und Photovoltaik betrifft. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, der bis 2035 energieautark werden will, ist von Wind und Sonne weit weniger begünstigt als andere Weltgegenden. Dafür wird der Landkreis tief im Untergrund von einer Kalkschicht durchzogen, die kochend heißes, wegen des herrschenden Drucks aber immer noch flüssiges Wasser führt.

Die Spezialbohrer für die Geothermie-Erkundungen zählen zu den knappsten Ressourcen der Branche. Das teure Gerät, das heuer in Gelting eingesetzt werden soll, ist derzeit noch in Taufkirchen im Einsatz. (Foto: Claus Schunk)

Die Tiefengeothermie will diese Energiequelle erschließen. Geothermie-Kraftwerke könnten Strom und Wärme gleichermaßen liefern - rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr und völlig unabhängig von äußeren Einflüssen.

Diese sogenannte Grundlastfähigkeit trägt wesentlich zu den Hoffnungen bei, die in die Geothermie gesetzt werden. Darin übertreffen Geothermie-Kraftwerke nach bisherigen Erfahrungen sogar die Kernkraftwerke, die - ungeachtet des Risikos einer Atomkatastrophe und der notorischen Endlager-Probleme - als äußert zuverlässige Stromlieferanten gelten.

Eine erneuerbare Energie ist die Erdwärme streng genommen nicht, allerdings darf sie nach menschlichen Maßstäben wohl als unerschöpflich gelten. Sie speist sich aus der Restwärme des kosmischen Feuerballs, aus dem das Sonnensystem entstand.

Den enormen Chancen, die die Tiefengeothermie birgt, stehen große Risiken gegenüber. Diese sind überwiegend ökonomischer Natur: Einmal 4000 oder 5000 Meter tief nach heißem Wasser zu bohren, kostet je nach Verlauf der Bohrung derzeit um die 15 Millionen Euro. Fünf Kilometer Gestein können viele Überraschungen bergen, und wenn der Bohrkopf endlich in der Kalkschicht ankommt, ist keineswegs sicher, dass er dort auf genügend Wasser stößt.

Sprudelt dieses nicht, bleibt eine zweite Chance, denn jedes Geothermie-Kraftwerk benötigt ein Förderloch und ein zweites ebenso teures Loch, durch welches das Wasser wieder in die Tiefe gepumpt wird. Lässt sich auch im zweiten Versuch nicht genug Wasser fördern, sind zwar 30 Millionen Euro in den Sand gesetzt.

Die Stellen für die Bohrungen werden in der Regel auf Basis geologischer Untersuchungen ausgewählt, die schon vor Jahrzehnten im Auftrag von Erdölfirmen angefertigt wurden. Viele Investoren geben zudem seismische Untersuchungen des Untergrunds in Auftrag, bei denen Stoßwellen in den Boden geschickt werden. Aus den Echos lässt sich auf die Lage wasserführender Klüfte schließen.

Im Landkreis gibt es derzeit drei Geothermieprojekte. Auf Königsdorfer Flur hat sich vor einigen Jahren eine von drei Privatleuten getragene Gesellschaft die damals für wenige tausend Euro erhältlichen Bohrrechte gesichert. Diese Rechte, die das bayerische Wirtschaftsministerium vergibt, verfallen bei Untätigkeit nach einigen Jahren. Derzeit versuchen die Partner Geld für eine eigene Seismik-Studie aufzutreiben, als möglicher Bohrplatz gilt die Umgebung des Kieswerks nahe Geretsried-Stein.

Nahe der Kläranlage in Wolfratshausen-Weidach hat sich die Süddeutsche Geothermie-Projekte Gesellschaft (SGG) die Bohrrechte und das nötige Grundstück gesichert, von dem sie beide Bohrungen niederbringen will. Das Vorhaben stagniert jedoch. Die SGG hat zwei Bohrungen in Kirchstockach und Dürrnhaar bei Aying zu Ende gebracht. Das Kraftwerk in Dürrnhaar soll von 2012 an Strom für rund 18 000 Haushalte liefern.

Die SGG hält an ihrem Wolfratshauser Vorhaben fest, hat aber noch ein bohrreifes Projekt im Chiemgau in der Schublade. Die Stromproduktion wird über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert und verspricht auf lange Sicht hohe Einspeisevergütungen. Aufgrund des EEG rechnet die Branche bei erfolgreicher Bohrung mit einer Kapital-Rücklaufzeit von etwa 15 Jahren, danach beginnt der Gewinn. Der Bund hat diese EEG-Förderung in einer Gesetzesnovelle soeben aufgestockt, was Umweltverbände kritisieren: So sinke der Anreiz für die ökologisch sinnvolle Kombination von Strom- und Wärmeversorgung.

Ein solche Kombination ist auf dem Gebiet der Stadt Geretsried geplant. Dort hatte die Firma Enex einen Bohrplatz bei Gut Breitenbach weitgehend vorbereitet, ein zweiter ist am nahen Tierheim geplant. Allerdings geriet die Enex über ihre isländische Muttergesellschaft in den Strudel der weltweiten Finanzkrise, aus der die Gesellschaft Ende 2009 die Firma Hörmann gerettet hat. Laut Geschäftsführer Robert Straubinger kann die Bohrung bei Breitenbach idealerweise noch Ende des Jahres beginnen - vorausgesetzt, das nötige Bohrgerät steht nach den Arbeiten in Taufkirchen rechtzeitig zur Verfügung.

Die Stadt Geretsried hat unterdessen ihre Stadtwerke umgebaut, um besser ein Fernwärmenetz aufbauen zu können. Eine am besten federführende Beteiligung der Kommunen an Geothermie-Projekten hält der Energie-Experte des Bund Naturschutz, Herbert Barthel, für sinnvoll, um Energieversorgung samt Wertschöpfung in die eigene Hand zu bekommen und um auf eine Fernwärme-Nutzung dringen zu können.

Trotz einer gewissen Grundskepsis gegenüber Großtechnologien teilt Barthel nach eigenen Worten die meiste Kritik nicht. Zwar sei es in der Schweiz bei einem Geothermie-Projekt einmal zu einem kleineren, spürbaren Erdbeben gekommen. Dort sei Wasser mit hohem Druck in eine heiße und trockene Gesteinsschicht gepresst worden. Im Landkreis seien solche Probleme nicht zu erwarten. Auch dass die Pumpen eines Geothermie-Kraftwerks viel Strom verbrauchen, sieht Barthel nicht als Problem. Er verweist darauf, dass ein solches Kraftwerk jede eingesetzte Kilowattstunde ohne Klimaschäden vervierfache, was ein durchaus hoher Wirkunsgrad sei.

Was allein die Stromproduktion betrifft, so rechnet das Umweltbundesamt damit, dass die Geothermie rund fünf Prozent des deutschen Bedarfs decken könnte. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen könnte der Anteil angesichts der günstigen Bedingungen viel höher sein: Auf Basis der Daten aus Dürrnhaar könnten die drei Geothermiekraftwerke rund 54 000 Haushalte versorgen. Bei 121 000 Landkreis-Bewohnern entspricht das annähernd der Vollversorgung.

© SZ vom 19.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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