Energielieferung wird neu ausgeschrieben:Debatte um Ökostrom

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Wolfratshausen kündigt Vertrag mit Eon und sucht neuen Anbieter

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Kann man es einem Elektron, das sich durch eine Kupferleitung bewegt, ansehen, ob es aus ökologischer Stromerzeugung stammt? Man kann es nicht, darüber war sich der Wolfratshauser Bauausschuss in seiner jüngsten Sitzung zwar grundsätzlich einig, zumindest aber tauchte die etwas kuriose Fragestellung in der Debatte über den Liefervertrag mit der Eon-Energie Deutschland GmbH auf.

Der läuft zum Jahresende aus und verlängert sich automatisch, sofern er nicht ein halbes Jahr zuvor, also bis zum 30. Juni 2016, gekündigt wird. Es bestand somit akuter Handlungsbedarf für den Fall, dass die Stadt nach einem günstigeren Anbieter Ausschau halten wollte - und das wollte und will sie. Der Ausschuss beschloss daher, den Vertrag mit Eon zu kündigen und die Energielieferung mit hundert Prozent Ökostrom bis Ende 2019 gemeinsam mit der Stadt Geretsried neu auszuschreiben. Durch die Kooperation mit der Nachbarstadt erhofft man sich günstigere Bedingungen beim Preis. Der Ausschuss hat Bürgermeister Klaus Heilinglechner demnach ermächtigt, in Absprache mit Geretsried dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag zu erteilen.

Die seltsame Frage nach dem Öko-Elektron resultierte aus dem Wunsch des Grünen-Stadtrats Hans Schmidt, nach Möglichkeit jeden Anbieter auszuschließen, der auch nur Teile des Stroms aus Kohle- beziehungsweise Atomkraftwerken liefert. Schmidt verwies auf die soeben verabschiedeten neuen Ausschreibungsrichtlinien der EU, denen zufolge "zur Ermittlung des besten Preis-Leistungsverhältnisses auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte" berücksichtigt werden können. Der Grünen-Stadtrat erinnerte auch an das ambitionierte Ergebnis des Pariser Klimagipfels, wonach die Erderwärmung bis 2050 auf 1,5 Grad zu begrenzen sei. Dies alles aber bedeute wiederum das Ende aller Kohlekraftwerke. Wegen des bevorstehenden Ausstiegs aus Kohle und Atom sind nach Schmidts Einschätzung deshalb alle Konzerne, die auf diese Art Strom erzeugen, in Zukunft nicht mehr zuverlässig und daher abzulehnen. Auch müsse der Landkreis mit der Energiewende Oberland eine Vorbildfunktion erfüllen. Nach kontroverser Diskussion lehnte der Ausschuss den Antrag Schmidts mit 9:1 Stimmen ab, alle Konzerne bei der Vergabe zu auszuschließen, die Anteile ihres Stroms aus Kohle und/oder Kernkraft beziehen. Die Ausschreibung soll so geschehen, dass der Verbund "17er Oberlandenergie" ein Angebot abgeben kann. In dem Unternehmen haben sich vor zwei Jahren die Stadtwerke Bad Tölz, Geretsried, Wolfratshausen, Penzberg und Murnau zusammengeschlossen. Auch Egling und Dietramszell sind inzwischen Gesellschafter. "17er" bietet seinen Kunden zertifizierten Ökostrom an und will sein Angebot weiter ausbauen.

Günther Eibl, Fraktionssprecher der CSU im Stadtrat, bescheinigte dem Grünen zwar, dass er grundsätzlich zwar dessen Meinung sei, aber bei der Definition, was man unter Ökostrom zu verstehen habe, müsse man Realist bleiben. "Letztlich bezieht doch jeder einen Energiemix", wer etwas anderes behaupte, lüge sich in die Tasche. Eine "Grundsatzdiskussion über Glaubensfragen" sei "nicht zielführend". Den gängigen Anteil von umweltfreundlicher Energie beim Ökostrom veranschlagte Eibl auf 25 Prozent, der Rest stamme erfahrungsgemäß aus traditioneller Energiegewinnung. Dies zu leugnen sei "Augenauswischerei".

Fritz Schnaller (SPD) beteuerte, er verstehe Schmidts Ansatz, man müsse freilich bedenken, "dass Ökostrom auch Geld kostet". Und bei Konzernen wie Eon seien die Unternehmensteile so verschachtelt, dass man die Herkunft der Stromlieferungen im Einzelnen nur schwer herleiten könne. Natürlich müsse man Dinge auf dem Energiesektor verändern, räumte Schnaller ein, aber sich hierbei allein auf den Stromeinkauf zu beschränken, bringe nichts. Sein Fazit: "Wir sollten mit der Wirklichkeit leben".

An Schmidts Seite stellte sich Ulrike Krischke (Bürgervereinigung): Sie glaube nicht, dass es bei der Bewertung, was unter Ökostrom zu verstehen ist, um Augenauswischerei gehe, sondern um die grundsätzliche Frage: "Welche Marktanteile gestehe ich welchem Unternehmen zu." Und da solle man "doch denjenigen unterstützen, der in regenerative Energie investiert".

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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