"Ciao Weiß-Blau" in Lenggries:Vom Après-Ski in die Chirurgie

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Rotzfreches Musikkabarett boten (v. li.) Wolfgang Hierl, Tobias Öller und Erich Kogler vom Trio "Ciao Weiß-Blau" in Lenggries. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Musikkabarett-Gruppe nimmt bayerische Postkartenklischées aufs Korn - und zwar amüsant.

Von Petra Schneider, Lenggries

Auf der kleinen Bühne der Kaminstub'n wird es eng: Eine ausladende Performance ist nicht möglich, Tobias Öller, Erich Kogler und Wolfgang Hierl müssen sich mit Kontrabass und Gitarren die kleine Fläche für ihren Auftritt teilen, zum Glück arbeitet die Loop-Station platzsparend. Selten kommt man den Künstlern näher als im gemütlichen, holzgetäfelten KKK-Veranstaltungsraum des Brauneck-Hotels, der am Sonntagabend rappelvoll ist. Und das ist auch gut so: Denn das Musikkabarett um Frontman Öller hat allemal ein volles Haus verdient.

Ciao Weiß-Blau nennt sich das Trio aus dem Oberland - und damit ist schon einiges über das künstlerische Selbstverständnis gesagt: ein rotzfrecher Abgesang auf weiß-blaue Postkartenklischées, der musikalisch zwischen Country, Rock und Tango changiert und in Form vertonter Geschichten daherkommt. Ein Kabarett mit eingängiger, einwandfrei gespielter Musik, in bester Nestbeschmutzer-Manier einer Biermösl Blosn - wenn auch nicht gar so politisch. Da wäre zum Beispiel eine Hänsel- und Gretel-Neuinterpretation, gespielt in traditioneller Hausmusik-Besetzung mit Flöte, Akkordeon und Gitarre. Der Text ist freilich behutsam modernisiert: Denn die gemeindliche Baubehörde hat den Pfefferkuchenbau im Visier: Dachneigung? "Ich glaub ned, dass des der Ortsgestaltungssatzung der Gemeinde entspricht". Kein Rauchmelder, dafür ein offener Kamin, die Kläranlage hinter dem Haus, mitten im Wasserschutzgebiet. Liebe Güte, Hänsel und Gretel, das wird der Kreisbaumeister nicht abnehmen können.

"Bayernregeln" heißt das aktuelle zweite Programm, und fast nichts ist in diesem Ritt durch bayerische Befindlichkeiten vor der satirischen Entlarvung sicher. Alles ist möglich, vom "Blutwurst-Tango" bis zum "Hilti-Rap", einer umwerfend-komischen Abrechnung mit der Heimwerkermentalität, bei der Öller den coolen Gansterrapper gibt. "Die Bohrmaschine im Anschlag, wie ein tapferer Soldat. Da Papa bohrt wieder." Harmlos beginnen die Geschichten meist, gut gehen sie selten aus: nicht das Heimspiel der Mannschaft am Samstagnachmittag - "olé, olé, olé" -, nicht das Skifahrerlied "Après Ski", das geschmeidig beginnt, sich dann schnell als Schickeria-Event entpuppt und in der Reha endet: "Après-Ski, mit der Bergwacht in die Chirurgie"- zur relaxten Spa-Reha, die leider auch irgendwann enden muss. "Und zum Abschied erzählt der Chefarzt einen Witz vom Kreiskrankenhaus." Da kocht die Stimmung in der Kaminstub'n. "Die Hände zum Himmel", animiert Kogler die Leute im "Après-Stadel in Lenggries", und alle klatschen mit. Überhaupt das Skifahren: "Könnt mal jemand am Brauneck anrufen", sagt Öller an diesem winterchaotischen Sonntagabend. "Die können jetzt die Schneekanonen abschalten. Der Schnee landet hier schon im Tal."

Erst vor gut drei Jahren hat sich das Trio gegründet und gerade die zweite CD "Ballkönigin" herausgebracht: Der Miesbacher Kabarettist Tobias Öller, der für sein szenisches Typenkabarett bereits mehrfach ausgezeichnet wurde, Erich Kogler, studierter Kontrabassist und Musikschulleiter in Tegernsee, Wolfgang Hierl, ebenfalls studierter Gitarrist und Musikschullehrer, beide ehemalige Mitglieder der Formation "Stimmungsbüro Kreitmeier". Sie spielen eingängige Ohrwürmer, Hierl heizt beizeiten mit knackigen E-Gitarren-Soli ein oder füttert die Loop-Station mit geschnalzten, geschnauften Wort- und Tonsequenzen. Bei der Nummer "Waldfest" hat es Kogler erwischt. Weil es dafür unbedingt eine Blaskapelle brauche, "wir aber niemand mit "Kernkompetenz Blasmusik haben", wie Öller erklärt, wurde der Kontrabassist ausgelost - Kogler muss Trompete spielen.

Dass der eine oder andere Ton verrutscht, passt ganz gut. Denn auch das in XXL-Gstanzl-Form besungene Waldfest in Pappenzell läuft nicht so ganz rund: Bei der Dirndl-Casting-Show bewirbt sich eine flachbrüstige Münchnerin. Das ist unmöglich, "weil gelebtes Brauchtum a gewisse Körbchengröße braucht". Als Fensterlkönig von Pappenzell liegt ein zuagroaster Preiss, "der Bautzen-Sven", in Führung, und beim Bierausstoß ergibt sich ein Engpass. Na dann, Prost und ciao.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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