Bildung:"Wanderprediger" des dualen Systems

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Eine handwerklich solide Nachwuchskraft sei nicht weniger wichtig "als der fünfhundertachtundsiebzigste Ägyptologe", sagt der Berufsschuldirektor. (Foto: Manfred Neubauer)

Berufsschuldirektor Josef Bichler bei der Unternehmervereinigung. Von Stülpnagel als Vorsitzender wiedergewählt

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Ein engagiertes Plädoyer für das duale Ausbildungssystem hat Josef Bichler, der Leiter der Tölzer Berufsschule, bei der Jahreshauptversammlung der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW) im Sparkassensaal gehalten. Er sei seit neun Jahren "als Wanderprediger" dafür unterwegs, sagte er. Mit seiner Einrichtung, die an drei Standorten derzeit rund 2000 Schüler in 17 Berufssparten unterrichte, sehe er sich in einem guten Umfeld. Der Landkreis sei "der Bildung gegenüber aufgeschlossen und unternehmensaffin".

Mit allerlei Sorgen trägt sich der Schulleiter gleichwohl. So sei es derzeit ganz unmöglich, Lehrer für die Berufsschule zu finden, der Stellenmarkt für diese Pädagogen sei "leergefegt", eine verfügbare Stelle habe er deshalb zurückgeben müssen. Dies sei umso ungewöhnlicher, als viele Gymnasiallehrer auf der Straße stünden. Kopfzerbrechen bereitet ihm aber auch die Entwicklung bei den Schülern: "Immer mehr gehen auf die Fachoberschule (FOS), weil das offenbar schicker ist." Die Übertrittsquote auf die FOS sei von 25 auf 50 Prozent gestiegen, ein Manko, das sich erst innerhalb weniger Jahre herauskristallisiert habe. Umso mehr bemühe man sich um intensive Kontakte zu den Mittelschulen. Um dem misslichen Trend entgegenzuwirken sei mindestens ein Schnupperpraktikum im Jahr für jeden Schüler vorgeschrieben, auch beteilige sich die Berufsschule an verschiedenen Projekten, pflege Patenschaften, etwa mit dem Alpenverein, und beteilige sich jedes Jahr am Planspiel Börse.

An Eltern appellierte Bichler, stolz zu sein, wenn ihre Kinder später einmal "etwas machen, was wirklich gebraucht wird, denn immer mehr fehlen die Leute, die die nötige Arbeit tun". Eine handwerklich solide ausgebildete Nachwuchskraft sei gewiss nicht weniger wichtig "als der fünfhundertachtundsiebzigste Ägyptologe".

Um ihr Interesse an den Lehrberufen zu dokumentieren, wollen die Unternehmer der UWW im April die Tölzer Berufsschule besuchen. Darüber hinaus haben sich die Wirtschaftsvertreter eine Menge vorgenommen. Besucht wird etwa die Reiser Simulation and Training GmbH, die in Höhenrain Flugsimulatoren für Hubschrauber herstellt. "Ein Highlight" im Jahresprogramm ist das schon weitgehend sanierte Waldramer Badehaus. Daneben stehen ein Gedächtnistraining in der Loisachhalle auf der Agenda, im Rahmen der Iloga ein Vortrag zum Thema "Nachhaltiges Wirtschaften" sowie ein Referat über "Digitalen Darwinismus". Auch körperlich will sich der Unternehmerverband mit seinen derzeit 135 Mitgliedern ins Zeug legen: Geplant sind im Juni eine zweieinhalbstündige Bergwanderung aufs Brauneck und ein Ausflug zum Sylvensteinspeicher - dort soll der Hochwasserentlastungsstollen besichtigt werden. Gegen Ende des Jahres steht ein Besuch beim Geretsrieder Kulturherbst an.

Die finanzielle Lage der UWW gibt mit einem Plus von rund 7000 Euro keinen Anlass zur Sorge. Der neue Vorstand wurde per Akklamation einstimmig gewählt - es ist der bisherige: Christian von Stülpnagel (Vorsitzender), Jens Eckart (Stellvertreter), Christian Spindler (Kasse) und Josef Wehbe (Schriftführer). Von Stülpnagel ließ allerdings erkennen, dass er altersbedingt zu den nächsten Wahlen nicht noch einmal antreten wolle.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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