Rieder Kindertheater:Man muss sie nur machen lassen

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Bei Aja von Lerchenhorst und ihrem jungen Ensemble greifen Spiel und Leben auf wundersame Weise ineinander. Die Premiere in Benediktbeuern beschert sogar der Regisseurin eine kleine Überraschung.

Von Stephanie Schwaderer, Benediktbeuern

Ein Kobold mit Putzfimmel, ein Roller fahrender Kater und eine freche Kröte, die sich Tag und Nacht mit ihrer Herzensfeindin Ratte fetzt - es ist schier unglaublich, wer alles im Haus der Großmutter wohnt. Internet und Smartphones, darauf kann man wetten, sucht man in diesem Haus vergeblich. Nervenkitzel gibt's beim gemeinsamen Kartenspiel, und der größte Horror ist die Rattenfalle. Es ist eine nach Speck und Honig duftende Welt, die das Rieder Kindertheater mit seinem neuesten Stück "Eine Nachtlegende" beschwört. Und es ist das Geheimnis von Aja von Lerchenhorst, der Theatergründerin und Regisseurin, dass diese heile Welt nicht auf das Bühnengeschehen beschränkt bleibt.

Bei der Premiere am Freitagabend zumindest greifen Spiel und Leben auf wundersame Weise ineinander. Das liegt zunächst einmal an der Kulisse: einer riesigen Tenne im Kloster Benediktbeuern, die den Staub von Jahrhunderten birgt. Ganz hinten haben die Väter eine kleine Guckkastenbühne unter das Gebälk gebaut. Noch ist der rote Vorgang geschlossen. Die Fee muss noch gepudert werden, und die Maus sucht ihre Ohren, während die anderen Darsteller, lustig geschminkt und ausstaffiert, das tun, was sie später auch auf der Bühne machen werden: sich necken und verstecken, lachen und Fangen spielen. Ihre Eltern beladen derweil eine lange Tafel mit handgemachten Köstlichkeiten - Stärkung für die Pause. "Zusammenhelfen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen, das ist das Schönste", sagt Aja von Lerchenhorst.

Minuten später sitzt sie am E-Piano und stimmt eine verträumte kleine Melodie an. Das Geschehen hinter dem Vorhang übernehmen sechs Mädchen im Alter zwischen zehn und 13, und sie machen ihre Sache gut. Jeder Einsatz sitzt - und das eineinhalb Stunden lang.

Das Stück hat Aja von Lerchenhorst zusammen mit den Kindern nach einer Geschichte von Paul Biegel in Szene gesetzt. Der quirlige Kobold (Andrea Wiesmann) mag es gar nicht, wenn jemand Unordnung ins Haus bringt. Und dann wird ihm ausgerechnet eine Fee (Katrin Ewert) in den Dachboden geweht. Sie kann nicht mehr fliegen, aber bei einem Tässchen Honig Geschichten erzählen, nach denen der Kobold süchtig wird. Das wiederum ruft seine alten Freunde auf den Plan: Ratte und Kröte (wunderbar streitsüchtig: die Schwestern Veronika und Mirjam Mair) wissen, dass man, wenn es ernst wird, zusammenhalten muss.

Drei Vorhangstangen und einige Meter Stoff reichen aus, um zwischen Dachboden und Keller zu pendeln. Den Szenenwechsel übernimmt mit routinierten Handgriffen der alte Kater (Frieda Gahn). Welches (Selbst-)Vertrauen die jungen Spieler haben, beweisen sie spätestens, wenn sie allein vor den Vorhang treten und ihre Lieder singen, die Aja von Lerchenhorst für sie komponiert hat - zart und stark, anrührend. Auch zwei neue Mitglieder werden spielend integriert: Scarlett Bennett debütiert als Wespenkönigin, und Jonathan Mair - er hat seine Ohren gefunden - darf in einer winzigen Rolle als Maus durch den Keller flitzen.

Am Ende gibt es großen Applaus, eine kleine Überraschung und viele Rosen - aber nicht etwa für Aja von Lerchenhorst, die, das ist seit diesem Tag offiziell bekannt, in Kürze mit einem Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung geehrt wird. Die Theaterleiterin verteilt vielmehr selbst die Blumen: an die Bühnenbildnerin (Anna Demmel), an ihre Assistentin (Heidi Kühn), an Mütter und Väter und an alle Kinder, die trotz Schulstress stets mit Begeisterung bei der Sache seien: "Ich mache das sehr gerne mit euch." Die letzte Rose bekommt ihr Mann, Franz von Lerchenhorst, der ihr seit fast 40 Jahren den ehrenamtlichen Vollzeitjob ermöglicht. "Das war's dann", sagt sie in ihrer unaufgeregten Art. Aber da hat sie nicht mit dem Kobold gerechnet.

"Das war's noch nicht", ruft das Mädchen mit den roten Wangen und drückt ihr einen Hut in die Hand. Darin ist ein bisschen Geld, das die Kinder in der Pause gesammelt haben. Heimlich. "Damit du auch einmal etwas bekommst!" Da ist Aja von Lerchenhorst für eine Sekunde sprachlos. Dann nickt sie ernst und sagt: "Dann gehe ich mal mit meinem Mann aus." Erstaunlich, was alles passieren kann, wenn man Kinder machen lässt.

Weitere Aufführungen: Samstag, 16. Juli, 16 Uhr, Haus des Gastes, Bad Heilbrunn; Sonntag, 24. Juli, 11 und 16 Uhr, Rieder Kinderfest (Wabastadl)

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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