Bebauung im Zentrum Geretsrieds:Ein Turm an Fragen

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Für die Nachbarn am Karl-Lederer-Platz kommen die anstrengendsten Wochen der Bauarbeiten. Ob sie die Pläne mit ihrem Bürgerbegehren noch stoppen können, bleibt umstritten.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Patrick Kohlert weiß, dass die Situation verzwickt ist: Das Bürgerbegehren gegen die relativ hohe Neubebauung des Geretsrieder Karl-Lederer-Platzes war zwar formal bereits erfolgreich, da es genügend Unterzeichner hatte. Dennoch ist offen, ob sich - selbst wenn der Stadtrat es kommenden Dienstag nach der juristischen Prüfung zulässt - damit die kritisierten mehr als 25 Meter hohen Gebäude an den Hausnummern 14 bis 20 noch verhindern lassen. Denn für diese Vorhaben liegen bereits die Baugenehmigungen vor. Kohlert, Sprecher der Bürgerinitiative Karl-Lederer-Platz, betont daher: Womöglich seien die Bauten "nicht allein" mit einem Bürgerentscheid zu verhindern. Und verweist auf die Absicht von Anwohnern, gegen die Baugenehmigungen zu klagen.

Der 36-jährige Geretsrieder Verwaltungsfachwirt Kohlert ist Leiter des Bauamts der Gemeinde Egling und hat daher beruflich Erfahrungen, die für die Initiative hilfreich sind. Er lebt mit seiner Ehefrau und zwei kleinen Kindern am Amselweg, hinter der Egerlandstraße. Deren ebenfalls geplante Neubebauung war sein Motiv, in die Bürgermeister-Sprechstunde zu gehen und sich näher mit der Neugestaltung der Geretsrieder Mitte zu befassen. Diese soll, so hat es Bürgermeister Michael Müller (CSU) initiiert, zu einem wesentlich dichter bebauten, belebten Stadtzentrum entwickelt werden. Statt der vorherrschenden dreigeschossigen Häuser sollen bis zu siebengeschossige Gebäude Akzente setzen. Kohlert machte sich Sorgen wegen der in der Stadt ohnehin schwierigen Grundwasser-Situation. Die Befürchtung, durch bauliche Eingriffe könne diese noch schlimmer werden, treibt auch die meisten Gegner der Platz-Neubebauung um. Dass die Stadt auf ein Grundwasser-Management verweist, beruhigt Kohlert nicht. Er kritisiert außerdem die Verschattung des Platzes, die seiner Meinung nach daraus resultierende Wertminderung der Wohnungen im Bestand und die Verkehrsregelung.

"Mega-zackig" sind nach Ansicht von Patrick Kohlert die Baugenehmigungen erteilt worden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Geärgert hat den Sprecher der Bürgerinitiative der zeitliche Ablauf. "Mega-zackig" findet er die Erteilung der Baugenehmigungen für den von ihm sogenannten "Klotz" des Bauunternehmens Krämmel (Karl-Lederer-Platz 14 bis 18) und das Wohn- und Geschäftshaus der Architekten Adamek und Hölzl (Nummer 20). Nach Auskunft aus dem Rathaus war die Abfolge so: Der Stadtrat hat den Satzungsbeschluss über den Vorhabenbezogenen Bebauungsplan am 28. März gefällt; dieser sei mit der öffentlichen Bekanntmachung am 10. Mai rechtskräftig geworden. Die beiden Baugenehmigungen wiederum habe das hierfür zuständige Landratsamt am 22. Mai und am 23. Mai erteilt. Die Initiative hatte am 13. Mai damit begonnen Unterstützung für ein Bürgerbegehren zu sammeln; am 1. Juni gab sie Listen mit 2436 Unterschriften im Rathaus ab - 1563 waren erforderlich.

Verwirrung entstand über die grundsätzliche Frage, ob die Bürger per Entscheid gegen einen rechtskräftigen Bebauungsplan stimmen können. Die Initiative sagt dazu auch nach Absprache mit ihrem Rechtsanwalt Ja. Und Kohlert erklärt, Bebauungspläne könnten doch immer geändert werden, dies geschehe ja auf politischer Ebene durchaus. Dagegen hat der Geretsrieder Dritte Bürgermeister und Jurist Gerhard Meinl (CSU) am 19. Mai per Mitteilung an die Zeitungen dargelegt, nach seiner Auffassung sei durch einen rechtskräftigen Bebauungsplan Baurecht entstanden, der Stadtrat müsse die Unzulässigkeit des Begehrens feststellen. Das bayerische Innenministerium teilt diese grundsätzliche Einschätzung nicht: Auch gegen Bebauungspläne seien im Prinzip Bürgerbegehren zulässig, so eine Sprecherin.

Gerhard Meinl hatte seine Beurteilung mit den Worten abgeschlossen: "Letztlich kommt dieses Bürgerbegehren gegen die Zentrumsentwicklung einfach zu spät." Dagegen sagen die Bürger, ihre Einwände gegen die Höhenentwicklung auf dem Platz seien schon viel länger bekannt. Tatsächlich haben Anwohner öffentlich dagegen demonstriert und in vielerlei Stellungnahmen zum Verfahren darauf hingewiesen. Nur das Interesse des Stadtrats daran habe er "nicht gespürt", sagt Kohlert.

Derweil kündigt Krämmel für die Baustelle, auf der momentan die Abbrucharbeiten laufen, die anstrengendsten Wochen für die Anwohner an: Die Baugrube wird mittels Spundwandramme gesichert. Es sei mit Lärm und Erschütterungen im Umkreis von rund 100 Metern zu rechnen. Wer dazu fragen hat, kann sich unter Telefon 08171/629 99 96 melden.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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