Wolfratshausen:Alles öko, oder was?

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Die Bürgerstiftung sucht einen Nachfolger für den scheidenden Chef Wolfgang Seiler. Dabei könnte der Richtungsstreit neu entflammen, ob die Einrichtung professionalisiert wird oder als Bürgerbewegung agiert

Von Matthias Köpf, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das Ziel der Bürgerstiftung Energiewende Oberland (EWO) ist klar: Bis 2035 wollen die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Weilheim-Schongau autark bei der Energie werden und möglichst ohne fossile Energieträger auskommen. Dass der Weg dorthin noch weit ist, bestreitet auch innerhalb der EWO niemand. Welche Richtung die Stiftung dabei genau einschlagen soll, muss bald ein neuer Vorstandsvorsitzender bestimmen: Nach der Ankündigung von Wolfgang Seiler, sein Amt zur Stifterversammlung am 4. November abzugeben, sucht die EWO einen Nachfolger für ihre prägende Führungsfigur.

Der bald 76-jährige Seiler gibt sein Amt rein aus privaten Gründen und eigener Entscheidung ab und habe dies intern schon im Frühjahr mitgeteilt, heißt es aus der EWO. Vor zwei Jahren hatte Seiler um sein Amt noch kämpfen müssen. Einige Stiftungsräte hatten große Zweifel an dem Kurs, den die EWO unter Seilers Führung eingeschlagen hat. Der bundesweit bestens vernetzte Professor, der in zahlreichen wissenschaftlichen und politischen Beiräten und Kommissionen saß, setzte als EWO-Vorstandsvorsitzender ab 2011 stark auf Kooperationen mit Partnern aus der Industrie wie BMW oder Eon. Im Jahr nach seinem Amtsantritt gründete die EWO ihr Energiekompetenzzentrum mit Sitz in Penzberg, das als Wirtschaftsunternehmen handelt und sich Kommunen, Unternehmen und Privatleuten als Dienstleiter in Energiefragen anbietet. So bewirbt sich die EWO derzeit etwa um den Auftrag für das neuen Energienutzungskonzept der Stadt Wolfratshausen. Dass die Stiftung über dieses Konstrukt auch Privatleute berät, missfällt vielen freiberuflichen Energieberatern.

Was Seiler und seine Mitstreiter als notwendige Professionalisierung ansahen, war jedoch bei vielen Energiewende-Idealisten der ersten Stunde auf Kritik gestoßen. Sie hätten die Bürgerstiftung lieber als die Graswurzel-Bewegung weitergeführt, als die sie vor zehn Jahren begonnen hat. Doch Seiler setzte sich 2013 durch und erhielt nach längerem Zwist vom Stiftungsrat das Mandat bis 2016, das er jetzt vorzeitig zurückgibt. Kritiker wie Peter Frieß und Karlheinz Rauh waren da schon aus dem Stiftungsrat ausgeschieden.

Der Stiftungsrat trifft sich an diesem Mittwochabend in Penzberg. Ihm obliegt es nun, nötigenfalls ein neues Mitglied in den maximal sechsköpfigen Vorstand zu berufen, was aus formalen Gründen aber frühestens in der darauf folgenden Sitzung im Dezember geschehen kann. Der Stiftungsrats-Vorsitzende Gerhard Ohlbaum sähe es nach eigenen Worten aber sehr viel lieber, wenn es schon eher einen neuen Vorstandsvorsitzenden geben würde, den der Vorstand laut Satzung aus seinen eigenen Reihen wählen muss.

Für das zeit- und arbeitsintensive, aber nicht bezahlte Ehrenamt kämen dann nur fünf Kandidaten infrage, von denen der Geretsrieder Steuerberater Wolfgang Fröhlich aber noch voll im Berufsleben steht. Unter den vier anderen wäre der frühere Penzberger Bürgermeister Hans Mummert zumindest nach außen hin der profilierteste Kandidat. Er vertritt innerhalb der EWO den Landkreis Weilheim-Schongau. Um Bad Tölz-Wolfratshausen kümmert sich im EWO-Vorstand der Eglinger Josef Kellner, um Miesbach Peter Haberzettl. Gert Barth ist für die Beteiligungen der EWO zuständig.

Sie alle verfügen nicht über ein so weit gespanntes fachliches Netzwerk wie die prägende Führungsfigur Seiler. Dessen expansive Strategie haben sie aber ebenso mitgetragen wie der Stiftungsratsvorsitzende Ohlbaum. Womöglich könne es eine leichte Kurskorrektur geben, "aber sicher keine Kontroverse", versichert Ohlbaum. Seiler werde auf jeden Fall große Fußstapfen hinerlassen. Die auszufüllen werde "schon ein bisschen schwierig sein."

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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