Ausstellung:Eigenwillige Tupfer

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Günter Fürst komponiert in seinem Atelier in Königsdorf Kunst aus Altpapier. Im Bergkramerhof zeigt er neue Arbeiten und erinnert an alte Freunde

Von Felicitas Amler, Königsdorf

Ob man denn diese Dinger noch gar nicht bemerkt habe, fragt Günter Fürst etwa nach einer halben Stunde des Schauens und Sprechens in seinem Atelier. Diese . . . - er sucht noch nach dem richtigen Wort: Diese Tupfer finden sich seit einiger Zeit auf vielen seiner Bilder. Natürlich hat man sie wahrgenommen. "Aber nicht danach gefragt", moniert der Künstler freundlich. Er möchte also darüber sprechen. Und das ist das Eigentümlich an diesem großartigen Maler, der eine fast verborgene künstlerische Existenz fernab jeglicher Kunstszene führt: Er ist äußerst reflektiert, denkt über die eigene Arbeit offenkundig viel nach, aber Deutungen seiner Werke im Sinne von Interpretationen lehnt er ab.

Günter Fürst, 77 Jahre alt, ehemaliger Kunsterzieher am Gymnasium Icking, präsentiert von Samstag an im Bergkramerhof jüngste Werke. Die Ausstellung ist noch nicht gehängt, im Atelier ist aber schon einiges zur Auswahl bereitgestellt. Fürst nennt sich Maler, auch wenn ein Großteil seiner Arbeiten Kompositionen aus gerissenem Papier sind. "Geklebte Bilder", so hieß daher seine vorige Ausstellung, in einem Dentallabor in Geretsried. Vier Jahre ist das schon wieder her - er staunt selbst darüber. Ja, er habe längere Zeit nicht künstlerisch gearbeitet, sagt er, vor etwa einem halben Jahr habe er wieder damit begonnen.

Die Tupfer legten sich, so Fürst, wie ein Netz über das eigentliche Bild - "damit nicht zu viel rauskommt" (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Atelier in dem schönen alten Bauernhof, den er in Königsdorf bewohnt, befindet sich im früheren Stall. Die Atmosphäre nimmt den Besucher sofort ein: eine Mischung aus intuitiver Schaffenskraft und kultiviertem Bildungstum. In Regalen stehen Kunstbände, Künstlermonografien, theoretische Abhandlungen, die Kulturgeschichte der Neuzeit von Egon Friedell nicht weit vom "Personenlexikon zum Dritten Reich" von Ernst Klee; Städtebücher, die Metamorphosen von Ovid . . . Überall lehnen Bilder, an den Regalen, an Wänden. Ein großer Schreibtisch auf der einen Seite des Raums, ein großer Produktionstisch auf der anderen: Farben und Pinsel darauf - und dieser unscheinbare Haufen Papier. Tüten aus Bäckereien und Obstläden, Briefumschläge, Papiere in Gelb und Rosa, Weiß und Braun. Zwei Behörden-Umschläge ragen heraus, blaue Stempel auf einem gelblich-braunen Untergrund. "Ein schönes Braun", sagt Fürst.

Aus all solchen Überbleibseln des Alltagslebens schafft Fürst seine Kunst. Er reißt und klebt, übermalt und überklebt, bis es für ihn stimmt. "Wenn ich nach langem Spüren, Experimentieren, Verwerfen und Neufinden langsam zu einer Form komme, mit der ich zufrieden bin - dann finde ich ein Bild gut." Und dann sagt er das auch: dass seine Bilder gut sind. Selbstbewusst im Wortsinn. Und wenn jemand käme und eine Arbeit in Frage stellte, sie nicht verstünde? Dann würde er sagen: "Das Bild ist entstanden, weil ich malen will, und weil ich malen will, male ich."

Aus Überbleibseln des Alltagslebens schafft Fürst seine Kunst. (Foto: Hartmut Pöstges)

Und wie sind nun diese Tupfer ins Bild gekommen? Sie seien mal groß, mal klein, mal dick, mal dünn, sagt Fürst. Er male sie entweder ganz zum Schluss oder mittendrin. Manchmal überklebe er sie sogar anschließend. In jedem Fall, da ist er sich ganz sicher, entsprängen sie einem "aggressiven Akt". Wirklich? Haben sie nicht auch etwas Verspieltes? Er schüttelt den Kopf. "Das ist immer ein aggressiver Akt des Verschwindenlassens." Weil er "es" zumachen wolle. Er spanne diese Tupfer wie ein Netz über das Bild. "Warum?" Er stellt die Frage selbst und gibt auch sofort die Antwort: "Damit nicht zu viel rauskommt. Es soll ruhig was drinbleiben."

Die Ausstellung im Bergkramerhof verdankt sich einer Freundschaft. Fürst und Josef Hingerl, Betreiber des Golfclubs Bergkramerhof, gehörten einem Freundeskreis rund um die Ickinger Musiklehrerin Elisabeth Eggendorfer und ihren Mann, den Architekten Peter Eggendorfer, an. Bei ihnen traf man sich oft zu kammermusikalischen Matineen und Soireen. Beide sind vor wenigen Jahren gestorben, und im Gedenken an sie wird im Bergramerhof ein Kammerkonzert mit Münchner Musikern zu hören sein. Anschließend wird die Ausstellung Günter Fürst eröffnet.

Die Symmetrie entstehe wie von selbst, sagt Günter Fürst über das relativ neue Element in seinen Werken. (Foto: Hartmut Pöstges)

In einer Ecke seines Ateliers stapelt Fürst seit längerem leere Longa-Briefumschläge, die er auf ihrer freien Seite mit feinem schwarzen Filzstift bemalt. Schraffuren sind das, die sich hie und da zu schwarzen Schatten und Schemen verdichten, an anderen Stellen viel Licht lassen. "Meine Meditationen", sagt Fürst. Und nein: Im Bergkramerhof werde er sie noch nicht zeigen. Da stecke noch viel Arbeit drin, sie zu Kunstwerken zusammenzustellen. Man kann nur hoffen, dass sich, wenn es so weit ist, ein angemessener Raum, ein veritabler Ausstellungsort für diese Werke findet. Es ist hoch an der Zeit, dass Fürst eine solche öffentliche Würdigung erfährt.

Samstag, 21. Oktober, 11 Uhr: Kazue Weber-Tsuzuki, Klavier, Felix Key Weber, Violine, Franz Amann, Cello: Werke von Mozart, Brahms und Dvorak; Güntner Fürst: Malerei 2017 (bis 27. November); Bergkramerhof, Tagungsgebäude, Wolfratshausen

© SZ vom 18.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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