Außergewöhnliches Trio:Wenn eine Frau zwei Männer liebt

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Außergewöhnliches Trio: Andrea Lieberknecht, Jan Philip Schulze und Dag Jensen (von links) begeisterten das Publikum in der Loisachhalle. (Foto: Manfred Neubauer)

. . . kann das auch gut ausgehen: Das Trio Amédée begeistert bei "Klassik pur im Isartal" in der leider nur halb gefüllten Loisachhalle. Die Veranstalter erinnern an den verstorbenen Klassik-Experten Reinhard Szyszka

Von Sabine Näher, Wolfratshausen

Es bleibt ein unverständliches Phänomen, warum Kammermusik vor halb leeren Rängen stattfindet, sobald keine Streicher involviert sind. Das musste auch das Trio Amédée - Andrea Lieberknecht (Flöte), Dag Jensen (Fagott) und Jan Philip Schulze (Klavier) - am Samstagabend in der mäßig gefüllten Loisachhalle erdulden. Doch etwas dürfte den Musikern ein Trost gewesen sein: Die Zuhörer, die gekommen waren, erwiesen sich als ein enthusiastisches Publikum.

Auch in diesem Konzert der Reihe "Klassik pur im Isartal" wurde Reinhard Szyszkas gedacht. Der geschätzte Klassik-Experte und SZ-Kritiker hatte auch für den Konzertverein Isartal über viele Jahre hinweg Aufsätze verfasst und Einführungsvorträge gehalten. Während die Iffeldorfer Veranstalterin Andrea Fessmann am Vorabend ergreifende Worte gefunden hatte, lag in der Loisachhalle der in der SZ erschienene Nachruf auf allen Stühlen aus. Reinhard Szyszka war am 6. April im Alter von 61 Jahren gestorben.

Mit einer U-Musik im wahrsten und besten Sinne eröffneten die Musiker den Abend. Amédée Rasettis Trio F-Dur op. 13 Nr.1, eines der wenigen Originalwerke für die Besetzung Flöte, Fagott und Klavier, ist ein unbeschwertes, gefälliges Stück, das dem Fagott herrliche Möglichkeiten für den ungewohnten solistischen Auftritt bietet, das Klavier zart perlen und die Flöte euphorisch jubeln lässt. Der Schlusssatz ist gar vertonte Comedy mit einkomponierten Stockungen und Unterbrechungen. Beste Unterhaltung, zu der die ritualisierte Zuhörstarre des heutigen Konzertlebens allerdings wenig passt. Zur Musik des Mozart-Zeitgenossen, dem das Trio seinen Namen verdankt, wurde ursprünglich nämlich gegessen, getrunken und sich munter unterhalten.

Einen deutlich anderen Anspruch stellt das folgende Werk. Sergej Prokofjews Sonate für Flöte und Klavier op. 94 teilt sogleich mit, dass sie über die schönen Klänge hinaus Inhalte transportieren möchte. Das 1943 komponierte Stück weist der Flöte im 1. Satz sehr sprechende Töne zu, die ihre Entsprechung im Klavier finden. Der 2. Satz spiegelt große Unruhe und Erregung; die Flöte gerät sozusagen außer Atem - was der Flötistin natürlich nicht passieren darf. Und auch nicht passierte. Im totalen Kontrast atmet das Andante Ruhe und Frieden. Der Schlusssatz verbindet überbordende Freude und Ausgelassenheit mit nachdenklichen Passagen. Ein spannungsvoller Prozess mit virtuosem Ausklang, der mit entsprechendem Beifall bedacht wurde.

Dann ging es in die zeitgenössische Musik: Roger Boutry, geboren 1932 in Paris, hat seine Interférences für Fagott und Klavier 1972 geschrieben. Ein wild aufgewühltes Klavier eröffnet; das Fagott antwortet besonnen - und sinniert vor sich hin. Das unruhige Klavier heizt die Stimmung wieder an; das Fagott führt in ruhiges Fahrwasser zurück. Doch schließlich lässt es sich vom erregten Gestus des Klaviers anstecken. Es ist, als lausche man dem Gespräch zweier eifriger Diskutanten. Ein sehr kurzweiliges, anregendes Stück.

Mit Felix Mendelssohns Trio d-Moll für Flöte, Fagott und Klavier op. 49 (ursprünglich für Geige, Cello und Klavier) wurde es abschließend hochromantisch. Für dieses 1839 entstandene Werk fand Robert Schumann, der damals eher für seine fundierten Musikkritiken in der "Neuen Zeitschrift für Musik" als für seine Kompositionen bekannt war, die wegweisenden Worte vom "Meistertrio der Gegenwart". Mit dem unnachahmlichen romantischen Sehnsuchtston eröffnet das Fagott und gibt sogleich die zauberhafte Stimmung vor. Romantischer Überschwang, der den Hörer packt und mit fort trägt. Im 2. Satz singt das Klavier ein Lied ohne Worte; überaus zart und einfühlsam steigen die Bläser ein. Leichtfüßig huscht das Scherzo vorüber; das Fagott gibt sich alle Mühe, ebenso schwerelos wie die Flöte zu agieren. Im Finale stellt das Klavier ein fragendes, aufwühlendes Motiv in den Raum, das auf der Suche nach einer Antwort große Emotionen freisetzt.

Jubel, Bravo-Rufe und Trampeln dankte den Musikern, die ihrerseits auch noch etwas in petto hatten: "Wir spielen Ihnen jetzt ein Stück über eine Frau, die zwei Männer liebt", erklärte Andrea Lieberknecht. Vielsagende Blicke zwischen den Dreien auf der Bühne. "Es geht leider schlecht aus. Aber bei uns ging's gut aus, denn ich habe mich einfach entschieden!" Und zwar fürs Fagott. Ein sehr gefühlvoll dargebrachtes Intermezzo aus Bizets Carmen entließ ein entzücktes Publikum.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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