Wolfratshauser Amtsgericht:Testosteron auf Bestellung

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Ein Kraftsportler vertreibt Anabolika an seine Bekannten - und wickelte die Bestellungen über Whatsapp ab.

Von Pia Ratzesberger, Wolfratshausen

Die Ampullen voller Testosteron haben seine Muskeln anschwellen lassen. Doch glaubt man dem Angeklagten, war das nicht sein Bestreben. Gegen Arthrose habe er das Testosteron und die anderen Anabolika genommen, sagt der 44-Jährige vor dem Amtsgericht Wolfratshausen. Das Poloshirt spannt an den breiten Oberarmen, während er das erzählt - man sieht, dieser Mann hat viel Zeit im Fitnessstudio verbracht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm am Montagvormittag allerdings nicht nur den Besitz, sondern auch das "gewerbsmäßige Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken" vor. Denn der Angeklagte hat die Anabolika, die in Deutschland teils nur illegal oder zumindest nur in Apotheken vertrieben werden, auch an Bekannte weiterverkauft.

Das streitet er auch gar nicht ab, der Anlagenführer aber will die Präparate lediglich zum gleichen Preis abgegeben haben, wie er sie eingekauft hat. Letztendlich wird das die entscheidende Frage sein: Hat er mit den anabolen Steroiden vom Schwarzmarkt Gewinn erwirtschaftet oder nicht? In ersterem Fall droht ein höheres Strafmaß. Dass er verkauft hat, ist auch zweifelsfrei, weil sich der Angeklagte über die Bestellungen per Kurznachrichtendienst mit seinen Bekannten ausgetauscht hatte. Einige kannte er von früher, arbeitete mit ihnen gemeinsam bei einem Sicherheitsdienst. Zwar haben die Kraftsportler vorsichtshalber Abkürzungen verwendet, doch weil Preise genannt wurden, war den Polizeibeamten beim Auslesen des Handys schnell klar, worum es ging. Er könne alles so besorgen, "wie du es haben willst", heißt es da, oder "mit 420 Euro kann ich leben".

Dass die Polizei den 44-Jährigen überhaupt ins Visier nahm, hat sie österreichischen Kollegen zu verdanken: Die hatten auf ihrem Territorium einen Händler von Anabolika überwacht, der wiederum zeitweise mit dem Angeklagten in Wolfratshausen in Kontakt stand. Gekauft aber will Letzterer seine Präparate im Internet haben. Ironischerweise geben die geladenen Zeugen beide an, sie hätten ganz bewusst keine Anabolika im Netz bestellt, weil man da nicht wisse, was man bekomme und sowieso "komplett überwacht werde". Deshalb hätten sie sich lieber an den ehemaligen Kollegen gewandt. "Aber er hat die Mittel doch auch im Netz bestellt, haben sie da nicht nachgefragt?", wirft die Staatsanwältin ein. Nein, sagt der Zeuge, da habe er volles Vertrauen gehabt. Im Internet sei ihm die Gefahr zudem zu groß gewesen, erwischt zu werden. "Aber in Whatsapp schreiben Sie dann schon?", fragt Richter Helmut Berger und lächelt.

Die Anabolika bringen dem geladenen Mediziner im Gerichtssaal zufolge allerdings nicht nur die Muskeln an Brust oder Rücken zum Wachsen, sondern etwa auch im Herz. Die Kraftsportler nehmen deshalb ein erhöhtes Herzinfarktrisiko in Kauf, wenn sie sich Testosteron oder Trenbolon unter die Haut spritzen. Die Verteidigung des Angeklagten, er habe mit den Medikamenten nur seine Arthrose therapieren wollen, hält der medizinische Gutachter für nicht glaubwürdig - dann nämlich reichten bereits geringe Mengen an Testosteron aus. Der Angeklagte jedoch habe sich mit zwei Ampullen in der Woche das 20fache einer normalen Dosierung verabreicht.

Er habe zudem gewerblich gehandelt, argumentiert die Staatsanwaltschaft, sonst hätte er nicht über Preise verhandelt. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Der Richter schließt sich der Argumentation zwar an, kommt jedoch zu einem anderen Schluss: Er verurteilt den 44-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, zur Bewährung ausgesetzt. Zudem muss der Anlagenführer 5000 Euro an die Suchtberatung der Caritas in Tölz und Wolfratshausen zahlen.

Auf die Frage des Richters, ob die beschlagnahmten Präparte nun vernichtet werden könnten, zögert der Angeklagte kurz, der Verteidiger sagt: "Die sind ja noch nicht abgelaufen". Dann aber wird dem Angeklagten wohl doch klar, dass er auf diese Frage nur eine Antwort geben kann: "Ja, okay, vernichten sie die". Und auch das Handy, auf dem die Chats gespeichert waren, will er lieber nicht mehr wieder.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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