Aus dem Amtsgericht:Mit Tempo 200 und Lichthupe

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29-Jähriger bedrängt einen Senior auf der A 95 - und wird verurteilt.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Womöglich hat dem heute 85-jährigen Rentner sein schweres Geländefahrzeug das Leben gerettet. Mitte November 2016 war er bei Wolfratshausen auf die Garmischer Autobahn A 95 Richtung München aufgefahren. Um einen Lastwagen zu überholen, wechselte er kurz danach auf die linke Fahrspur. In demselben Moment raste ein 29-Jähriger mit Tempo 200 in einem schwarzen Auto von hinten heran - und betätigte die Lichthupe. Der Senior fühlte sich bedrängt und riss sein Fahrzeug auf die rechte Fahrspur zurück. Dort krachte er in einen Pritschenwagen. Dessen zwei Insassen wurden verletzt. Der Rentner brach sich einen Lendenwirbel.

Der Lenker des schwarzen Autos hatte den Unfall sogar noch selbst der Polizei gemeldet, war aber weitergefahren. Auf der Suche nach Zeugen hatten die Ermittler ihn als Unfallverursacher identifiziert. Weil der junge Mann gegen den Strafbefehl Einspruch einlegte, wurde am Amtsgericht Wolfratshausen öffentlich verhandelt. Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 9000 Euro verurteilt.

Bis heute hat der Rentner nach dem Splitterbruch im Lendenwirbel Schmerzen. "I bin nimma der, der i war", sagte er. Der Senior beschrieb, wie der Fahrer hinter ihm aufblendete, er nur noch helles Gesicht gesehen und gedacht habe, dass der Mann ihm bald drauf fahren werde. Daher habe er das Lenkrad sofort nach rechts herumgerissen, sagte er. Dessen Schilderungen zum Unfallhergang stützten vor allem zwei Zeugen - ein 45-jähriger Modellbauer und eine 25-Jährige. Beide schilderten, dass sie sich anstelle des Seniors nicht getraut hätten, links zu überholen, so rasant sei das schwarze Auto nähergekommen. Die Frau berichtete, dass der junge Mann stark abgebremst habe. "Er war 100 Meter von dem Geländewagen weg, gab wieder Gas und hat ihn dann mit der Lichthupe unter Druck gesetzt", berichtete sie.

Bis auf eine Wagenlänge soll der junge Mann dem Auto des Seniors nahe gekommen sein. Einen solchen Abstand wertete der Staatsanwalt bei der hohen Geschwindigkeit als gefährlich. Er plädierte, den Angeklagten zusätzlich wegen Nötigung zu verurteilen - zu einer Geldstrafe von 14 440 Euro. Denn der Mann sei dem Senior ohne Not nah aufgefahren. Mit der Lichthupe habe er diesen von der linken Spur drängen wollen. Dagegen wehrte sich die Verteidigerin des Angeklagten. Der Senior habe die Geschwindigkeit ihres Mandanten womöglich falsch eingeschätzt. Dass der junge Mann nah aufgefahren und mit der Lichthupe vor der Gefahr gewarnt habe, sei nicht gesetzeswidrig. Tempo 200 habe er in diesem Bereich fahren dürfen. Aus ihrer Sicht müsse ihr Mandant freigesprochen werden.

Von einem typischen Vorfall, der leider immer wieder auf Autobahnen zu beobachten sei, sprach Amtsrichter Helmut Berger. Wie er erklärte, habe sich der Senior zwar mitschuldig gemacht, weil er die Situation falsch eingeschätzt oder übersehen habe. Doch der Angeklagte habe nach Zeugenaussagen noch gefahrlos bremsen können. Erst dann sei dieser dicht aufgefahren und habe die Lichthupe betätigt. Eine Nötigung sei dem Mann zwar nicht zu beweisen. Doch der Angeklagte sei beim Überholen falsch gefahren. Zudem seien durch den Unfall drei Personen verletzt worden. Noch sieben Monate muss der Angeklagte auf seinen Führerschein verzichten, der ihm bereits fünf Monate vor der Verhandlung abgenommen wurde.

© SZ vom 03.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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