Aus dem Amtsgericht:Fürstliche Watschn

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Senior mit Adelstitel ärgert sich über badende Kinder - und schlägt einen Buben

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Um die zehn Kinder toben und spielen Ende Juli stundenlang in einem Pool - auf dem Grundstück direkt vor der Eingangstür zur Wohnung des Angeklagten: Dauernd springen sie ins Becken und klettern wieder raus. Als der Rentner adeliger Abkunft - die Standesprivilegien des Adels sind in Deutschland seit 1919 abgeschafft, Adelstitel sind heute reine Familiennamen - am Abend in seine Wohnung im Landkreis gehen will, springt ein zehnjähriger Bub ins Becken und spritzt den älteren Mann nass. Der verliert seine Contenance: Er soll das Kind am Ohrläppchen nach oben gezogen und es anschließend im Gesicht geohrfeigt haben.

Weil der Angeklagte den Strafbefehl in Höhe von 2400 Euro nicht akzeptiert, landet die Sache vor dem Wolfratshauser Amtsgericht. Doch er hat keinen Erfolg: Richter Urs Wäckerlin verurteilt ihn wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in derselben Höhe wie im Strafbefehl: 2400 Euro.

Alle Kinder, darunter auch die Enkel des Angeklagten, seien extrem geschockt gewesen, schildert eine 47-jährige Frau den Vorfall. "Wir waren dort mit mehreren Kindern zu Besuch." Alle hätten gespielt und getobt, seien sehr laut und wild gewesen. Der zehnjährige Junge, Sohn einer Freundin der Frau, sei ins Becken gesprungen. Da sei der Angeklagte auf dem schmalen Gang zwischen Pool und dem Eingang zu seiner Wohnung vorbeigekommen. "Ich glaube, dass der Mann von einem Teil des Wassers getroffen wurde."

Was dann folgt, empfindet die Frau als "Ausraster": Wie sie erklärt, habe der Senior den Buben beschimpft, ihm vorgeworfen, keinen Respekt zu haben. Dann habe sie gesehen, wie er das Kind am Ohrläppchen nach oben zog und es mit der anderen Hand ohrfeigte. "Der Bub wollte sicherlich nichts Böses. Er wird ganz antiautoritär erzogen. Er hat gar nicht verstanden, was passiert ist."

Mit dem Mann und auch dessen Söhnen war nach Darstellung der Frau keine Verständigung zu erreichen. Nur deshalb hätten die Eltern des Buben den Vorfall angezeigt, sei die Angelegenheit überhaupt vor Gericht gelandet. Der Angeklagte habe zu ihr nur gesagt, dass er hier zu Hause sei. Und wenn ihr nicht passe, was er täte, könne sie ihn anzeigen, sagte die Zeugin.

Der Mann räumte zwar ein, einen Fehler gemacht zu haben. Doch über das Strafmaß war er empört. "Meines Erachtens ist das Einiges zu hoch gegriffen." Was ihm zur Last gelegt werde, sei aus seiner Sicht gar nicht so gravierend. Er habe einfach gewollt, dass die "badende Horde" ruhiger sein sollte. Die Kinder seien den ganzen Nachmittag in den Pool gesprungen, hätten das Wasser um eine Höhe von etwa 20 Zentimetern aus dem Becken herausgespritzt. Bei der Größe des Pools seien das rund vier Kubikmeter. Dem Buben eine Ohrfeige verpasst zu haben, bestritt der Mann. "Ich habe ihn am Ohrläppchen genommen und dann mit der flachen Hand über die Haare gefahren." Der Bub sei auf die andere Seite des Pools geschwommen und über die Wand hinausgeklettert.

Die Aussagen der Zeugin waren für den Staatsanwalt absolut glaubhaft. Von der Schuld des Angeklagten war er überzeugt. Der habe aus absolut nichtigem Anlass gehandelt. Er forderte eine Geldstrafe in derselben Höhe wie im Strafbefehl. Dem schloss sich auch Richter Wäckerlin an: "Sie haben ein fremdes und unbekanntes Kind am Ohr gezogen und ihm eine Watschn gegeben." Die Tat sei nicht unter Gleichen geschehen. Der ältere Mann habe seine psychische und physische Überlegenheit gegenüber dem Buben ausgenutzt. Die Reaktion des Mannes: "Wenn das deutsches Recht ist, dann Danke." In den Pool kämen jedenfalls keine fremden Kinder mehr.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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