Aus dem Amtsgericht:Gammelfleisch serviert: Gericht verurteilt Wirt

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Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Angeschimmelten Käse, ungenießbaren Fisch, Enten- und Gänseteile, Semmelknödelmasse, Hirschnüsse und andere verdorbene Lebensmittel mehr entdeckten Mitarbeiter des Tölzer Landratsamts 2014 bei vier Kontrollen in einer Gaststätte im Südlandkreis. Deswegen klagte die Staatsanwaltschaft das Wirts-Ehepaar an. Die Frau war dafür bereits verurteilt worden. Ihr 71-jähriger Mann legte Einspruch gegen die Höhe seines Strafbefehls über 28 000 Euro und ein Jahr Bewährungsstrafe ein. Das Amtsgericht Wolfratshausen hat ihn nun erneut wegen Vergehen nach dem Lebensmittelgesetzbuch verurteilt, reduzierte aber die Geldstrafe. Der Wirt war bereits früher wegen ähnlicher Vorfälle verurteilt worden.

Vor Gericht erschien er nicht, er ließ sich von Rechtsanwalt Walther Kießel vertreten. Der Verteidiger warb um Verständnis für seinen Mandanten. Das Wirtspaar sei am Ende, sagte er. Er räumte ein, dass die Eheleute es mit der Hygiene weniger genau genommen hatten. Doch sein Mandant habe früher in renommierten Häusern gekocht. Er sei "ein Mensch, der einmal groß war und dann klein wurde".

Der Rechtsanwalt appellierte an das Gericht, milde zu urteilen. Gesetze müssten zwar eingehalten werden. Doch die Geldstrafe von 700 Tagessätzen zu 40 Euro, also insgesamt 28 000 Euro, sei "barbarisch". Der Anwalt warb dafür, das Strafmaß drastisch zu verringern. Er schilderte ausführlich, wie lange er das Wirtsehepaar kenne: "seit Jahrzehnten". Er habe oft bei den beiden gegessen. Ihm habe es immer geschmeckt. "Das ist ein langer Niedergang. Ich bitte um Verständnis."

Doch der Staatsanwalt ließ sich nicht milde stimmen und bezeichnete den Strafbefehl als angemessen, zumal der Wirt einschlägig vorbestraft sei. Das Landratsamt habe den Betrieb alle paar Wochen kontrolliert, der Angeklagte sei uneinsichtig gewesen. Der Staatsanwalt schlug vor, die Tagessatzhöhe auf 25 Euro herabzusetzen.

Richter Helmut Berger schloss sich dem an. Er sprach den Angeklagten schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 700 Tagessätzen à 25 Euro, also 17 500 Euro, sowie zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr. Schließlich habe sich die Situation des Wirts nach dem Einspruch nicht gravierend geändert, weshalb das Gericht vom Strafmaß kaum habe abweichen können. Ein Jahr Bewährungsstrafe sei angemessen. Die reduzierte Tagessatzhöhe von 25 Euro sei immerhin ein Teilerfolg für den Wirt.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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