Amtsgericht Wolfratshausen:Mit 52 SMS nachgestellt

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Ein Stalker terrorisiert eine Frau mit zahlreichen Nachrichten, schaut durch ihr Schlafzimmerfenster - und muss trotz einschlägiger Vorstrafe nicht ins Gefängnis.

Von Wolfgang Schäl

Begonnen hatte die Beziehung im November 2011 beim Tanzen in der Geretsrieder "Lagune". Nur wenige Monate später, im August 2012, war das kurze Glück für Klaus M. (Name geändert) schon wieder zu Ende: Seine Angebetete gab ihm den Laufpass, ohne Angabe von Gründen, was der 51-jährige Penzberger einfach nicht überwinden konnte. Er versuchte mit der Frau so hartnäckig im Kontakt zu bleiben, dass er sich jetzt als Stalker vor dem Wolfratshauser Amtsgericht verantworten musste.

Terrorisiert hatte er die Frau durch 52 SMS-Botschaften, und er ließ sich sogar dazu hinreißen, auf ein Fahrrad zu klettern und der im Erdgeschoss wohnenden Frau seiner Träume ins Schlafzimmer zu spähen. Dies wog umso schwerer, als er wegen Stalkings bereits zweifach vorbestraft war und unter offener Bewährung stand. Die wurde ihm jetzt bei einer Strafe von einem Jahr und sechs Monaten noch einmal zugestanden, wenngleich Amtsrichter Helmut Berger keinen Zweifel daran ließ, dass M. beim geringsten Verstoß gegen die Auflagen länger als zwei Jahre hinter Gittern verschwinden werde.

Er habe von seiner unerwarteten Abfuhr einfach solche Bauchschmerzen gehabt, schilderte der Angeklagte seine Gefühle, nur wenn er das Foto seiner Freundin betrachtete, sei das Bauchweh weggegangen. Das habe auch der Psychologe nicht erklären können, bei dem er sich wegen seiner Stalkerei bereits in Behandlung befand. Ausschlaggebend für die polizeiliche Anzeige war die Sache mit dem Schlafzimmerfenster - ein Nachbar hatte Klaus M. beobachtet, wie er sich der zweirädrigen "Anstiegshilfe" bediente, und die Aktivitäten des Mannes mit einer Videokamera aufgenommen. Die Frau sei fassungslos gewesen, berichtete die Polizeibeamtin, die den Fall zu Protokoll nahm und auch gleich selber Anlass hatte, sich an den Kopf zu fassen. Denn Klaus M. nutzte die Gelegenheit, sich nach der privaten Telefonnummer der Polizistin zu erkundigen.

Diesen "Begierdewechsel" bewertete der Gerichtsgutachter indes "eher als ein Zeichen von Gesundheit". Dass M. ein Stalker ist, stand für den Psychologen allerdings fest, wenngleich er ihn nicht als gefährlich einstufte. Der Angeklagte sei "ein infantiler Mensch", der mit seiner auffälligen Minderbegabung nicht in der Lage sei, "eine Zurückweisung richtig zu interpretieren". Von den fünf wissenschaftlich bekannten Stalking-Varianten sei die von M. praktizierte aber die günstigste, weil er sein Opfer nicht direkt bedroht habe und nicht aggressiv geworden sei.

Wegen der einschlägigen Vorstrafen mochte die Staatsanwältin dennoch nicht mehr auf eine Bewährungsstrafe plädieren - sie sehe keinerlei positive Sozialprognose, sagte die Anklagevertreterin. Der Anwalt des Angeklagten prognostizierte dagegen einen "totalen sozialen Zusammenbruch", falls M. seine Arbeitsstelle als Verputzer verliere. In seiner Firma sei M. schon seit 25 Jahren beschäftigt, und es sei fraglich, ob er nach zwei Jahren wieder Arbeit finde. Der Strafvollzug dürfe nicht "zur Keule werden". Richter Berger betonte, dass auch er selber große Bauchschmerzen habe, nämlich mit der Bewährungsstrafe. Die sei "sehr milde" angesichts der Tatsache, dass Stalking für das jeweilige Opfer eine extreme psychische Belastung darstelle. M. muss deshalb zusätzlich 3000 Euro an den Weißen Ring zahlen und sich einer weiteren Gesprächstherapie unterziehen.

© SZ vom 08.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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