Amtsgericht:Gezielt gespeichert

Lesezeit: 2 min

21-Jähriger wegen jugendpornografischer Bilder verurteilt

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Zwei Verhandlungstage lang hat der Fall das Amtsgericht Wolfratshausen beschäftigt, jetzt ist er entschieden: Ein 21-jähriger Mann aus Geretsried ist wegen Besitzes und Verbreitung jugendpornografischer Bilder verurteilt worden. Zur Strafe muss er 80 Stunden soziale Arbeit verrichten - und verliert voraussichtlich seinen Job in einer Bank. Die Verteidigung plädierte für einen Freispruch: "Diese Bilder sind im Internet völlig frei zugänglich und müssen nicht erst durch meinen Mandanten verbreitet werden", sagte der Anwalt des Angeklagten. Außerdem sei nicht klar zu bestimmen, ob die abgebildeten Mädchen minderjährig seien. Richter Urs Wäckerlin sah das anders: Im Urteil hielt er sich an das Plädoyer der Staatsanwaltschaft und die Einschätzung eines Gutachters, dem zufolge die Jugendlichen auf den Bildern zwischen 14 und 17 Jahre alt sind.

Aufgeflogen war der Geretsrieder Anfang 2017 durch einen Zufall. Die E-Mailadresse eines Familienangehörigen stand auf der Liste einer Skype-Gruppe, in der pornografisches Bildmaterial ausgetauscht wurde. Aus diesem Grund klopfte die Kripo Weilheim am 6. April 2017 um sechs Uhr morgens an die Haustür der Geretsrieder Familie - mit vier verschiedenen Durchsuchungsbeschlüssen in der Tasche, schilderte der Kriminalhauptkommissar Roland Reißer als Zeuge. Die Skype-Spur erwies sich zwar als Sackgasse, weil sie nicht bestätigt werden konnte. Dafür fanden die Computerspezialisten der Polizei auf einer Festplatte und dem Handy des Angeklagten 27 Dateien mit pornografischem Inhalt.

Um abzuklären, ob die jungen Frauen auf diesen Bildern minderjährig sind und ob die Fotos ohne das Wissen des Angeklagten auf dessen Datenträger gelangt sein könnten, wurden die Asservate dem unabhängigen IT-Forensiker Richard Burghardt überlassen. Der sagte vor Gericht aus, er habe die Fotos nach den Tanner-Stadien analysiert. Er und seine Mitarbeiter würden dazu jährlich von Universitätsexperten geschult. Die Tanner-Stadien geben Aufschluss über den Entwicklungsstand eines sich in der Pubertät befindenden Körpers, auch der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben sich in der Vergangenheit auf Tanner berufen. Die abgebildeten Mädchen waren laut Burghardt zwischen 15 und 17 Jahre alt, in einem Fall "nicht ausschließbar 14".

Eine Analyse der Speicherorte ergab, dass 19 der 27 inkriminierten Bilder nicht ohne das Wissen des Geretsrieder Bankkaufmanns auf der Festplatte und dem Smartphone gelandet sein konnten: Damit eine Datei aus dem Internet in einen Ordner gelangt, muss sie aktiv ausgewählt und heruntergeladen werden. Es sei denn, es handelt sich um den Cache-Ordner oder den vom System genauso automatisch angelegten temporären Ordner. In diesen Bereichen fand Burghardt aber nur insgesamt neun Bilder, alle anderen mussten gezielt gespeichert worden sein. Drei Fotos waren dem Angeklagten über WhatsApp zugeschickt worden, ein weiteres hatte er selbst verschickt. Die Staatsanwaltschaft lastete ihm das schwer an, nämlich als Beitrag zum Abnehmermarkt.

Weil sich der Geretsrieder zur Tatzeit noch in der Ausbildung befand, kam in seinem Fall das Jugendstrafrecht zur Anwendung. Der Jugendgerichtshelfer Andreas Dlugosch beschrieb den Angeklagten, der bislang nicht straffällig geworden war, als "offen und zugänglich". Das Verfahren habe ihn psychisch mitgenommen, er leide an Schlafstörungen und Magenproblemen. Auch die Mutter sei nervlich mitgenommen. Gegenüber seinem Arbeitgeber sei er ehrlich gewesen: "Ein Fehler." Denn der warte nun auf das Ergebnis der Verhandlung, der junge Bankkaufmann werde voraussichtlich seinen Job verlieren. Die Bilder seien zwar "nichts Schönes". Er empfahl dennoch, das Verfahren gegen eine Auflage zu beenden.

Der Angeklagte äußerte sich erst ganz zum Schluss. "In meinen Augen sind die alle volljährig", sagte er. Im Fall des vermeintlich 14-jährigen Mädchens habe er recherchiert und sie "recht schnell namentlich gefunden". Demnach handele es sich nicht um eine Minderjährige, sondern um eine bekannte US-Pornodarstellerin. Das Urteil konnte er damit aber nicht mehr beeinflussen.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: