Wiedereröffnung:München hat seine Volksoper wieder

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Nach fünf Jahren Renovierung kann das Gärtnerplatztheater wieder einen vollen Spielplan anbieten - und stellt sich breit auf.

Von Rita Argauer

Die wichtigste Neuerung für das Theater ist ganz unauffällig. Weder der prachtvolle Bau aus dem 19. Jahrhundert, noch die Eröffnungsgala, mit der das Ensemble den Wiedereinzug feiern wird, wiegt diese eine Neuerung auf: Das Münchner Gärtnerplatztheater kann im eigenen Haus von dieser Spielzeit an wieder Repertoire spielen. Praktisch bedeutet das: Die Neuinszenierungen werden nicht mehr nur für einen im Grunde wahnsinnig kurzen Zeitraum einstudiert, sondern gehen nach ihrer Premiere in das Repertoire des Theaters über.

Das Repertoire ist der künstlerische Schatz, den Theater mit festen Häusern und einem festen Ensemble horten können und der das deutsche Theatersystem so einzigartig macht. Das Gärtnerplatztheater unter der Intendanz von Josef E. Köpplinger konnte davon bisher nur geringfügig profitieren. Denn selten kam es bei den in der vorangegangen Diaspora des Theaters produzierten Stücken zu Wiederaufnahmen. Das Theater auf Wanderschaft spielte "en suite". Ein Stück hat also Premiere, dann gibt es eine Anzahl von Vorstellungen, darauf folgte die nächste Premiere.

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Das ist nicht nur frustrierend für die Künstler, deren Arbeit dann nur durch wenige Aufführungen entlohnt wird. Das ist auch für das Publikum schade. Denn die Möglichkeiten, sich in einem Theater konstant verschiedene Stücke anzusehen und ganz nach Lust und Laune auszuwählen, ist ein wahrer Luxus, genauso wie auch die Wiederaufnahme einer einstigen Lieblingsinszenierung.

So passiert das nun auch wieder im Gärtnerplatztheater. Der Spielplan für die aktuelle Saison ist reich. Neben den neun angekündigten Premieren, finden sich in dieser Spielzeit zwölf Repertoire-Stücke. Darunter ganz Frisches, wie "Jean und Antonín", ein Ballettabend, der im vergangenen Frühsommer uraufgeführt wurde oder "Don Giovanni", die Produktion, mit dem sich der ehemalige Chefdirigent Marco Comin zum Ende der vergangenen Saison vom Gärtnerplatztheater verabschiedete. Hinzu kommen Klassiker wie Loriots Version von Friedrich von Flotows Stück "Martha", das 1984 entstanden war.

Aber auch während der Zeit als Wanderbühne entstandene Inszenierungen dürfen jetzt im eigenen Haus wieder aufleben: Etwa "Im weißen Rössl", die Antrittsinszenierung von Josef E. Köpplinger als Intendant des Theaters, die im Oktober 2012 im Theaterzelt in Fröttmaning Premiere hatte. Aber auch "Viktoria und ihr Husar" von 2016 oder "La Cenerentola", das 2015 im Cuvilliés-Theater aufgeführt wurde, sowie "Die Zirkusprinzessin", eine Operette von Emmerich Kálmán, auch von Köpplinger inszeniert. Die hatte ihre Premiere 2014 im Circus Krone und konnte durch die charmante Verschränkung von Handlungsort und Spielort punkten. Ein Bonus, der im eigenen Haus nun wegfallen wird.

"Die Seele der Operette ist ihre Möglichkeit, der Welt lachend die Wahrheit zu sagen", sagte einst der österreichische Musiker Georg Knepler. Und diese leichtfüßigen Operetten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sind ein wenig das Steckenpferd von Köpplingers Intendanz. Der betont zwar gerne die bunte Ausrichtung seines Spielplans, die sich in der Vielfältigkeit der dargebotenen Genres auch zeigt. Doch wenn es wichtig wird, dann gibt es Operetten und zwar im spritzig-schnellen und pointenreichen Inszenierungsstil von Köpplinger selbst. So nun auch zur Eröffnung des neuen alten Hauses, in das das Gärtnerplatztheater unter Köpplinger einzieht: Franz Lehárs "Die lustige Witwe", unter der musikalischen Leitung vom neuen Chefdirigenten Anthony Bramall am Donnerstag, 19. Oktober.

Gaderobe, Maske, Technik - alles nun wieder an einem Ort

In der praktischen Arbeit der vielen verschiedenen Mitarbeiter des Theaters dürfte von nun an einiges einfacher werden. Nicht nur, dass man nun nicht mehr für jede Produktion samt Maske, Garderoben und der ganzen Technik an einen anderen Ort ziehen muss. Auch die Probensituation des Theaters hat sich verbessert; sogar im Vergleich zur Zeit vor der Renovierung. Denn seit der Wiedereröffnung des Theaters 1947 probte man auf ausgelagerten Probebühnen in Harlaching. Die Probendisposition verlangte da logistischen Aufwand. Man musste nicht nur die Fahrtzeit der Künstler einrechnen, die vom Haus am Gärtnerplatz zur Probe und zurück tingeln mussten, auch musste es gewährleistet sein, dass Kostüme, Requisiten und die restliche Einrichtung zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

Nachdem man zu Beginn der Bauzeit das Gelände unter dem Theater 16 Meter in die Tiefe ausgehoben hatte, gibt es in den neu geschaffenen Untergeschossen massig Platz für drei Probebühnen, eine davon im Maßstab der echten Bühne. Aber auch das Orchester, der Chor und das Ballett haben neue Probesäle bekommen, die sich alle im Haus am Gärtnerplatz befinden. Das Grundstück ist nun zwar bis auf den äußersten Meter und weit in die Tiefe zugebaut. Das Theater ist jedoch innerstädtisch zentral mit all seinen Bedürfnissen und Arbeitsstellen untergebracht.

München hat seine Volksoper wieder, die sich in dieser Spielzeit neben den obligaten Operetten mit ihren Premieren breit aufstellt: Das Weihnachtsballett "Der Nussknacker" in einer Neuchoreografie von Ballettchef Karl Alfred Schreiner trifft auf "La Strada", eine Uraufführung mit zeitgenössischem Tanz. Musicals wie "My Fair Lady" und "Priscilla" stehen neben Kinderstücken wie "Pumuckl" und ernsten Opern wie Gaetano Donizettis "Maria Stuarda". Und mit einem Stück könnte das Theater eine Nische in München füllen, die seit dem Weggang von Peter Jonas von der Bayerischen Staatsoper vorhanden ist: Mit der Wiederaufnahme von Händels "Semele" gibt es in München nun wieder eine Barockoper im Repertoire zu hören.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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