Man könnte meinen, jeder Münchner würde am 24. Dezember in den nächsten Supermarkt gezerrt und zum Last-Minute-Weihnachtseinkauf gezwungen, so groß ist die Aufregung. Haben da doch tatsächlich Geschäfte auf! Obwohl Heiligabend ein Sonntag ist! Als ob man nicht drei Tage ohne Einkauf auskäme!
Natürlich ist es kein Drama, drei Tage nicht einkaufen zu können. Aber dass ein paar Geschäfte für ein paar Stunden ihre Türen aufsperren, ist genauso kein Drama. Denn genau darum geht es: Wenige Läden wie Dallmayr, Eataly und Käfer nutzen eine Ausnahmeregelung. Bis zu drei Stunden dürfen sie öffnen. Um 14 Uhr ist Schluss. Und das kann ernsthaft jemanden stören?
Weihnachten:Typologie der Schenker
Der eine hat die Geschenke schon längst verpackt, der andere stürzt in letzter Minute in die Läden. Einer schreibt Gedichte, der andere faltet Geldscheine. Ein Überblick von Streber bis Patriot.
Denkt doch mal an die armen Verkäufer, rufen diejenigen am lautesten, die selbst keine Verkäufer sind. Wer an Heiligabend arbeitet, hat sich das, erst recht bei den sehr beschränkten Öffnungszeiten, so gut wie immer selbst ausgesucht. Viele übernehmen die Dienste sogar gern: der Zuschläge wegen, um der Familie zu entkommen, oder weil Heiligabend für sie eh ein Tag wie jeder andere ist.
Wer jammert, dass ein stiller Tag verloren geht, der hat sich selbst als Konsument nicht im Griff. Niemand muss in Hektik verfallen, nur weil ein paar Geschäfte geöffnet haben. In vielen Familien gehört es sogar zur Weihnachtstradition, am 24. den Braten vom Metzger zu holen.
Und in anderen Ländern haben größere Supermärkte sonntags ohnehin immer geöffnet (Italien, Spanien) oder ist der 26. Dezember einer der wichtigsten Einkaufstage (USA). Zudem: Auch Ärztinnen und Pfleger arbeiten, Feuerwehr, Polizei und Nachrichtenredaktionen, Gastronominnen, Landwirte und Busfahrerinnen. Übrigens nicht nur an Weihnachten, sondern jeden Sonntag.
Von Elisa Britzelmeier
Ich will, ich will. Ich will es jetzt, hier und superfrisch. Nichts will ich selber machen (schon gar nicht die Gans, das Vieh dauert schließlich viel zu lang). Und ich will möglichst spät entscheiden, was ich überhaupt will. Sei's zum Essen oder sonst im Leben. Ja, so ungefähr lautet die heimliche Agenda hinter den Ladenöffnungszeiten, die nun auf Teufel komm' raus für den Heiligen Abend gelten, obwohl der in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt.
Statt das Phänomen als Wink des Himmels zu verstehen, dass endlich Ruhe einkehren sollte, wird am 24. Dezember lieber noch einmal die ganze Maschinerie angeworfen: Sollen sich die paar Verkäuferinnen doch drei, vier Stündchen länger die Hacken ablaufen, soll der Family-SUV nur noch flott den fetten Braten herbeikarren. Oder ich will mir wenigstens die Schokokugeln kaufen, die ich tags zuvor noch gar nicht gewollt habe. Ich will, ich will. Umsicht, Planung, Vorratshaltung? Für derart altmodischen Kram hat der moderne Mensch einfach keinerlei Nerv mehr.
Doch was will er denn nun, wenn er ehrlich ist? Schon Wochen vor Weihnachten jammern viele, dass die "stade Zeit" ihren Namen gar nicht mehr verdiene (und sie selbst all das Geld für die teueren Geschenke nicht). Dass sie, statt den Advent zu genießen, unter Hochdruck den Jahresschlussterminen hinterher hechten, hektisch, hysterisch, hyperaktiv.
Klagen nicht die meisten über den Stress als die Geißel unserer Tage? Rufen wir nicht nach mehr Spiritualität oder wenigstens mehr Konzentration auf das Wesentliche? Sehnt sich nicht die ganze Welt nach dem Innehalten? Und das unabhängig von Religion oder Konfession? Jetzt nicken sie noch und denken: aber bloß keine Minute zu früh!
Von Susanne Hermanski