Wahlkampf bei der SPD:Die zwei Teile und das Ganze

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Katarina Barley spricht bei der SPD. (Foto: Robert Haas)

SPD und CSU starten gleichzeitig, aber getrennt ins politische Jahr. Es geht weniger um Münchner Klein-Klein. Sondern um die Lage im Land

Von Dominik Hutter

Nicht, dass dies normalerweise Dieter Reiters Art wäre. Aber selten ist so offenkundig, dass ein politisches Jahr auch auf der kommunalen Ebene nicht mit Bordsteinabsenkungen beginnen kann. Oder mit dem leidigen Rathaus-Streit zwischen SPD und CSU. "Es war ein schwieriges Jahr 2016", sagt Reiter gleich zu Beginn seiner Dreikönigsrede und konzentriert sich daher aufs große Ganze. Auf das gesellschaftliche Klima in München und Deutschland, um das es schon einmal besser bestellt war. Auf die Herausforderungen, denen man nur mit Vernunft und Menschlichkeit begegnen könne. "Wir lassen uns keinesfalls von Kriminellen, von feigen Mördern vorschreiben, wie wir zu leben haben", ruft er unter großem Applaus in den Festsaal des Hofbräukellers, der so gut gefüllt ist, dass viele Genossen das alljährliche Dreikönigstreffen im Stehen an der Wand verfolgen.

Entsprechend locker ist die Stimmung an den langen Tafeln und Wänden, bei Bier, Kaffee und Weißwürsten. Phänomenal sei das, "vor so einer vollen Hütte reden zu dürfen", erklärt der gerade aus dem Weihnachtsurlaub zurückgekehrte Oberbürgermeister. Es ist ein Heimspiel. An den Tischen sitzen wie immer die Granden der Münchner SPD, von Christian Ude über Gertraud Burkert und Markus Rinderspacher bis hin zu Kämmerer Ernst Wolowicz, der - dem Applaus nach zu schließen - inzwischen eine Art Kultstatus genießt. Dass Reiter in der eigenen Partei beliebt ist, ist unverkennbar - gelegentlich kommt es sogar zu kleinen freundschaftlichen Dialogen zwischen dem Redner und dem Publikum. "Ganz genau!", wird hinter den Bierkrügen geraunt, oder "des iss halt a Praktiker, jawohl". Es ist Reiter wichtig, zu zeigen, dass er auch in Zeiten der Terrorangst keine Kurskorrektur vornehmen will. Dass München offen und gastfreundlich bleiben soll. "Wir sind tolerant, liberal, zugegebenermaßen ein bisschen grantig, stur und eigensinnig. Aber immer solidarisch." München werde nicht klein beigeben, weder Islamisten noch Rassisten gegenüber. Plumper Aktionismus, wie ihn derzeit die CSU an den Tag lege, helfe auch nicht weiter.

Und dann kommt Reiter doch noch auch auf die kleinteiligen Themen der Kommunalpolitik zu sprechen. Auf die Trambahn durch den Englischen Garten etwa, die doch mit Ausnahme von Finanzminister Markus Söder eigentlich jeder haben wolle. Mit dem will der OB nun noch einmal reden. Söders Vorschlag, "die Busspur zu verschmälern und grün anzumalen, entspricht nicht meinen Vorstellungen von Ökologie". Reiter will außerdem parallel zum zweiten S-Bahn-Tunnel den Ausbau von Nord- und Südring prüfen lassen. "Man muss ja nicht das eine tun und das andere lassen." Immerhin pendelten täglich mehr als 500 000 Menschen in die Stadt. "Wir brauchen eine umweltfreundliche Mobilität."

Das aber kann nur hinhauen, wenn der Bund genug Fördergelder zuschießt. Nicht zuletzt mit Blick auf Gastrednerin Katarina Barley, die Generalsekretärin der Bundes-SPD, hat Münchens OB einen ganzen Wunschkatalog an die Berliner Politik parat: eine Aufstockung und Überarbeitung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) etwa, dessen Förderkriterien von Verhältnissen geprägt seien, "die 20, 30 Jahre her sind". Berlin müsse mehr in den Wohnungsbau investieren, die Mieter besser schützen, die Bauvorschriften vereinfachen und die Möglichkeiten der Kommunen im Kampf gegen Spekulanten verbessern. Zudem müsse die Besteuerung von Lebensversicherungen abgeschafft werden, und Kapitalerträge müssten endlich genauso hoch besteuert werden wie die Löhne.

Letzteres zählt auch für Barley zu den großen Forderungen der SPD. Auch die Generalsekretärin wirbt für eine freie und tolerante Gesellschaft. Und ätzt gegen die CSU: Ein "purer Zickenkrieg" laufe da ab. Eigentlich müssten die angeblichen Schwesterparteien CDU und CSU längst in getrennten Wohnungen leben.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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