Vorschlag für neue Beratungsstelle:Hilfe gegen Rechts

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Neonaziaufmarsch zum 'Heldengedenken' in München im Jahr 2009. Für Opfer rechtsradikaler Gewalt, Nötigungen und Hetze wollen SPD und Grüne eine Beratungsstelle einrichten. (Foto: sz.lokales)

Für Opfer rassistischer Übergriffe gibt es in München bislang keine Anlaufstelle. SPD und Grüne im Stadtrat wollen das ändern. Ein Beratungsangebot soll auch die Dunkelziffer bei rechter Gewalt erhellen - und setzt Signale gegen extremistische Strömungen bei der Kommunalwahl.

Von Silke Lode

Mieter, Eltern, Studenten, ältere Menschen und Pflegebedürftige, Kranke, Schuldner oder Homosexuelle haben in München eines gemeinsam: Mit Fragen und Problemen können sie sich an eine spezialisierte Beratungsstelle wenden. Eine Lücke hat das Hilfsnetzwerk aber, wenn es um die Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt geht. Bislang jedenfalls, denn SPD und Grüne im Rathaus haben sich nun darauf verständigt, eine solche Beratungsstelle einzurichten.

Vereine, Initiativen und einzelne Engagierte, die sich in München gegen rechts stark machen, weisen schon länger darauf hin, dass die Opfer rechtsextremer Gewalt und Drohungen eine Anlaufstelle brauchen. Während andere Städte oder Bundesländer längst solche Angebot haben, sieht der Freistaat Bayern keinen Bedarf. Man verweist an den Weißen Ring, der Kriminalitätsopfer aller Art berät.

Ganz offenkundige fühlen sich Opfer rechter oder rassistischer Gewalt aber nicht angesprochen: Auf Nachfrage der städtischen Fachstelle gegen Rechtsextremismus erklärten Vertreter des Weißen Rings, sie können sich an keine entsprechenden Fälle erinnern. "Es gibt keine Anlaufstellen, nicht einmal bei der Polizei", sagt Gülseren Demirel, die Fraktionschefin der Grünen im Rathaus. Deshalb hat sie im Herbst beantragt, eine neue Beratungsstelle zu gründen.

"Chronisch unterausgestattet"

Eine Bestandsaufnahme hat zwar ergeben, dass der Bund ein spezielles Programm unterhält, nämlich "B.U.D. - Beratung. Unterstützung. Dokumentation. Für Opfer rechtsextremer Gewalt". Diese Stelle sei jedoch "chronisch unterausgestattet und kann den Großraum München nicht versorgen", lautet die Einschätzung von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD).

Dass es Beratungsbedarf gibt, zeige aber ein Blick in die Statistik: Laut Innenministerium gab es 2012 in Bayern 63 Gewalttaten aus rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven, davon wurden 25 in München und sechs im Umland verübt. Hinzu kommen Nötigungen, Bedrohungen, Hassmails oder Hetze im Internet - lauter Übergriffe, für die es keine Statistiken gibt.

Auch deshalb will Ude dem Stadtrat am Mittwoch empfehlen, die neue Beratungsstelle ins Leben zu rufen: Sie soll durch die Dokumentation ihrer Arbeit die Dunkelziffer erhellen, die es bei rechter Gewalt gibt. Länder wie Brandenburg haben das vorgemacht: Dort kommt eine Beratungsstelle seit Jahren auf fast so viele Gewaltvorfälle allein in Berlin und den neuen Ländern wie das Bundesinnenministerium für ganz Deutschland.

Konkret geht es am Mittwoch um Geld für zwei Stellen, Sachkosten und die Miete. Etwa 240 000 Euro will die Stadt pro Jahr ausgeben. Einen Träger muss sie erst noch suchen. "Uns war es wichtig, dass das eine unabhängige Stelle übernimmt, vielleicht auch ein neuer Verein", sagt SPD-Stadträtin Verena Dietl. Denn erfahrungsgemäß schrecken viele Opfer aus Angst vor Racheakten davor zurück, Anzeige zu erstatten, oder sie sind grundsätzlich misstrauisch gegenüber der Polizei und Behörden. "Uns geht es darum, dass Opfer, die angegriffen oder beleidigt wurden, sich anonym irgendwo hinwenden können", erklärt Dietl.

Auch Gülseren Demirel warnt davor, die Beratungsstelle direkt bei der Stadt anzusiedeln, da sie dort verwaltungsinternen Hierarchien und anderen Schwierigkeiten ausgesetzt wäre. Sie wünscht sich, dass die zwei Posten mit Leuten besetzt werden, die sowohl eine rechtliche als auch eine psychologische Beratung leisten können.

Forderung der Jusos

Offen sein soll die Stelle für Opfer ebenso wie für Zeugen, Angehörige oder Freunde. Dass die Entscheidung tatsächlich noch in dieser Wahlperiode fallen soll, freut Demirel besonders: "Wir müssen gerade bei den rechten Strömungen, die jetzt in den Stadtrat drängen, solche Signale senden." Deshalb hofft sie auch auf eine möglichst breite Zustimmung.

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Den rot-grünen Konsens dürfte eine Debatte auf einem SPD-Parteitag beschleunigt haben. Als die SPD Ende November ihr Kommunalwahlprogramm beschlossen hat, haben die Jusos eine Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt gefordert. Zunächst gab es Bedenken - eben weil die Stadt schon viel Rat und Hilfe anbietet. Doch die Mehrheit war dafür, OB-Kandidat Dieter Reiter ging sogar noch einen Schritt weiter: Er versprach, sofort zu klären, ob es Beratungsbedarf gibt. "Wenn ja, werden wir das selbstverständlich machen", hatte Reiter versprochen.

© SZ vom 14.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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