Viktualienmarkt als Weltkulturerbe:Anbandeln mit den Standlfrauen

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Der Viktualienmarkt ist ein wahrhaft idyllischer Ort. Doch sollte er auch Weltkulturerbe sein? (Foto: Alessandra Schellnegger)

Gehört der Viktualienmarkt zum Weltkulturerbe? Die Standlfrauen wollen Münchens berühmten Markt von der Unesco auszeichnen lassen. Die Prozedur kann bis zu 30 Jahre dauern - doch weil in Bayern Wahlkampf ist, interessieren sich nun auch Politiker für die Frage.

Von Franz Kotteder

Manchmal entwickeln politische Forderungen eine Eigendynamik, die sich durch ihren Inhalt nur schwer begründen lassen. Elke Fett, Sprecherin der Standlbetreiber des Viktualienmarkts, möchte ebendiesen gerne von der Unesco zum "immateriellen Weltkulturerbe" erklärt haben, so wie es beispielsweise bei der Wiener Kaffeehauskultur schon seit 2011 der Fall ist. Die Prozedur der Anerkennung, sagen Leute vom Fach, kann bis zu 30 Jahre dauern, man braucht also einen langen, fast schon welthistorischen Atem dafür. Elke Fett und ihr Markt aber profitieren schon jetzt von dieser Forderung. Denn dank des Wahlkampfs ist der Viktualienmarkt wieder im Gespräch.

Das ist wohl auch das eigentliche Ziel. Denn die Marktkaufleute sind nicht zufrieden mit den Leerständen an manchen Ecken und der Behandlung durch die Stadt. Fett klagt: "Wir sind für München doch so wichtig wie die Wiesn und das Hofbräuhaus. Der Viktualienmarkt ist schließlich das Herz der Stadt!"

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Bolzen auf dem Viktualienmarkt und Bierpreise, von denen man heute nur träumen kann: Ein Bildband zeigt, wie das Leben im München der sechziger Jahre war. Mit wilden Feiern und wütenden Protesten. Eine Reise in die Vergangenheit.

Oder, mit anderen Worten: Er gehört zum immateriellen Weltkulturerbe. Und weil das Bayerische Staatsministerium für Kunst und Wissenschaft formal dafür zuständig ist, hat Elke Fett am Donnerstagvormittag den Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) zum Gespräch auf den Viktualienmarkt eingeladen und ihm einen Kaffee beim Espressostandl an der Frauenstraße spendiert. Er sei gern gekommen, sagt Heubisch, "natürlich liegt mir als altem Münchner der Viktualienmarkt sehr am Herzen". Dessen Zukunft gehört aber nicht unbedingt zu seinen vorrangigsten Problemen, das lässt er beim Kaffeekränzchen mit der resoluten Sprecherin schon durchblicken.

Denn momentan ist Deutschland der internationalen Konvention für das immaterielle Weltkulturerbe noch gar nicht beigetreten, hat also auch noch nichts zu melden. Das geht bislang nur für das herkömmliche Weltkulturerbe, und da ist Bayern neuerdings unter anderem mit dem Schwurgerichtssaal der Nürnberger Prozesse und den Königsschlössern im Rennen. Eine Entscheidung wird nicht vor 2028 erwartetet. Insofern kann man sich ausrechnen, dass es mit dem Viktualienmarkt noch etwas dauern kann.

Freilich kann es aber selbst einem Minister nicht schaden, sich im Wahljahr bei den Marktkaufleuten im eigenen Stimmkreis zu zeigen. Schließlich kommen die ja mit vielen Leuten ins Gespräch. Auch wenn man da die nächsten 30 Jahre schon nichts Konkretes hinterlassen kann, so doch wenigstens einen guten Eindruck.

Das hatte die SPD-Fraktion im Münchner Rathaus schon am Mittwoch befürchtet. "Wir brauchen keinen Schutzpatron für den Viktualienmarkt", gifteten die Sozialdemokraten in Gestalt von Stadtrat Helmut Schmid und einer Presseerklärung, "mit warmen Worten kommen wir hier keinen Millimeter weiter." Die Sanierung des Marktes habe der Stadtrat schon längst auf den Weg gebracht.

Impressionen vom Viktualienmarkt
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Das kann Wirtschaftsreferent und SPD-Oberbürgermeisterkandidat Dieter Reiter Elke Fett dann ja am Sonntag noch einmal genauer erklären. Da hat sie ihn nämlich eingeladen, um über das Weltkulturerbe zu plaudern. Er wird wohl nicht der letzte Politiker sein, der mit ihr Kaffee trinken geht: Der Wahlkampf dauert ja noch eine Weile an.

© SZ vom 15.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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