Verkehr:Die Stadt als Labor

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Das Forschungsprojekt "City2Share" soll in Sendling und der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt neue Wege der Mobilität in der Praxis erkunden

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Sendling

Wie kann man in einer Stadt, die laufend wächst, die Mobilität aufrechterhalten, ohne dass sie irgendwann kollabiert? In München will ein Konsortium schon bald ein Pilotprojekt unter dem Namen "City2Share" starten, in dem verschiedene Möglichkeiten mit Elektromobilität untersucht werden. Die Forschungen sollen bis April 2020 in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und in Sendling stattfinden. Geplant ist, dafür vier Plätze mit Elektro-Mobilstationen auszurüsten - im Gespräch sind der Goetheplatz, der Zenettiplatz, ein Areal am Glockenbach, in Sendling der Harras oder der Kidlerplatz. Der bisher einzigen größeren Mobilitätsstation an der Münchner Freiheit ähnelten die neuen Stationen nur entfernt, sagt Sonja Rube, die Projektleiterin bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG): "Das wird fortschrittlicher, wir wollen da schon noch mal eins draufsetzen."

Eine Stele, an der man sämtliche Angebote für den Weg von A nach B auf einen Blick im Auge hat - Mietrad, Bus, Tram, U-Bahn, Taxi und Carsharing: So sieht derzeit eine gut ausgestattete Mobilitätsstation aus; eventuell gibt es eine E-Ladestation. Die Stadt plant, an den vier Plätzen in Sendling und in der Ludwigs- und Isarvorstadt Ladesäulen aufzustellen, an denen Privatautos und Carsharing-Autos Strom tanken können. Das integrierte Mietradsystem "MVG Rad" soll auch Pedelecs anbieten. Ins Auge fallen werden wohl größere Container, die als lokale Lager von Paketen dienen sollen. Lieferungen sollen dann von dort aus und nicht vom Paketzentrum, vor allem nicht mehr per Lieferwagen, sondern per Lastenrad bis vor die Haustür zugestellt werden. Die involvierten Stadtteilpolitiker freuen sich auf das Projekt. "Das wäre definitiv ein Vorteil, wenn nicht mehr so viele Lieferwagen herumfahren", sagt Markus Lutz (SPD), Vorsitzender des Bezirksausschuss (BA) Sendling.

Noch ist der Pakettransporter im Stadtbild präsent - aber hat er eine Zukunft?

Wenn es nach den Betreibern des Projekts "City2Share" geht, werden in München bald Radfahrer die Pakete bringen.

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(Foto: Florian Peljak)

An der Münchner Freiheit gibt es bereits eine erste Mobilitätsstation. Weitere sollen im Rahmen eines Forschungsprojekt folgen.

An dem Forschungsprojekt sind zehn Partner beteiligt: Die Landeshauptstadt München als Projektleiterin, die Stadtwerke München soll die Stationen bauen, Siemens ist dabei, BMW kümmert sich um die E-Autos und macht Tests mit robotergesteuerten Autos im Carsharing-System, die ihre Kunden abholen, UPS als Lieferdienst erprobt die Auslieferung von Paketen mit E-Rädern. Die Technische Universität München und die Bundeswehrhochschule in Neubiberg liefern das wissenschaftliche Know-how, ebenso das Deutsche Institut für Urbanistik.

Als "Reallabor" bezeichnet Sonja Rube das Vorhaben. Falls sich etwas bewährt, sei es vielleicht auf andere Quartiere übertragbar. Doch zunächst sei alles offen: "Wir müssen erst einmal Erkenntnisse gewinnen." Sehr lange, seit den Sechzigerjahren, habe das Konzept von der autogerechten Stadt die Stadtplanung dominiert, nachhaltige Mobilitätsangebote und auch ein Bewusstsein von Aufenthaltsqualität hätten erst in den vergangenen Jahren eine Rolle gespielt. Rube ist merklich vorsichtig mit Ankündigungen, man stehe noch am Anfang. Die Studie solle auch herausfinden, wer überhaupt Pedelecs braucht.

Fest steht bislang: Das Projekt wird in den Stadtvierteln voraussichtlich erst im Jahr 2018 sichtbar. Auch soll eine Smartphone-App entwickelt werden, mit der man sämtliche Transportvarianten überblicken kann - vom nächsten freien Taxi bis hin zum Ladestand des nächstgeparkten zur Verfügung stehenden Carsharing-Autos. Der öffentliche Nahverkehr soll weiterentwickelt werden. Wird Parkgrund frei, soll er möglichst zu öffentlichen Aufenthaltsorten entwickelt werden. Die Menschen will man dazu bewegen, auf ein eigenes Auto zu verzichten.

Die Bürger will die Stadt im nächsten Frühjahr einbeziehen, die Bezirksausschüsse sind bereits involviert. Alexander Miklosy (Rosa Liste), Vorsitzender des BA Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, hofft, dass das Projekt Lösungen gegen den drastischen Parkdruck im Viertel schafft. An diesem Dienstag werden die Grünen/Rosa Liste in der Gremiumssitzung fordern, dass die Stadt mit dem Modellprojekt "City2Share" auch Aktionen gegen privaten Autobesitz und Werbung für Carsharing angeht. Viele Bewohner im Umgriff des Pilotprojektes nutzten ihr Auto nur selten, heißt es in der Begründung. Für sie wäre Carsharing eine preiswertere Lösung als der Besitz eines eigenen Autos. Damit verringere sich auch der Parkdruck im Quartier, und: Die Wohnqualität würde steigen.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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