Untersendling:Aus Erfahrung gut

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Guter Rat: Wolfgang Thoennissen hilft Laesha Said bei der Lehrstellensuche. (Foto: Florian Peljak)

Ehemals Beamte, Manager oder Handwerksmeister: Job-Mentoren helfen Mittelschülern, eine Lehrstelle zu finden. Jetzt stehen sie angesichts der Flüchtlinge vor neuen Herausforderungen und brauchen Verstärkung

Von Katharina Eichinger, Untersendling

Alin Schildbach sitzt in einem leeren Klassenzimmer der Mittelschule an der Fernpaßstraße. Auf dem Computerbildschirm vor ihm: sein Lebenslauf und eine Bewerbung für eine Lehrstelle als Kfz-Mechaniker. "Ich könnte mir aber auch vorstellen, Sicherheitsfachmann zu werden", sagt der Neuntklässler. Momentan orientiert er sich noch, welche Weg er einschlagen möchte. "Schlecht wäre das nicht, du bist ja ein sportlicher Typ", sagt Wolfgang Thoenissen. Der 70-Jährige ist Leiter des Job-Mentorings München mit Sitz in Bogenhausen. Seit 2006 hilft er Mittelschülern, eine Lehrstelle zu finden.

Vor zehn Jahren hat Thoenissen noch beim Stadtjugendamt gearbeitet. Er sah, wie sich die Vermittlungsquote von Mittelschülern in Lehrstellen entwickelt hatte. In den Jahren von 2002 bis 2005 ist sie von 44 auf 29 Prozent zurückgegangen: "Das ging so nicht weiter." So entstand 2006 die Idee zum Job-Mentoring.

Als Thoenissen 2010 in Rente ging, nahm er das Projekt mit in die Bürger-Stiftung München. Ein Großteil der finanziellen Mittel für das Job-Mentoring kommt nun vom Referat für Arbeit und Wirtschaft der Stadt. Spenden decken den Rest, denn die Mentoren arbeiten ehrenamtlich.

"Ich möchte gerne an die Gesellschaft zurückgeben, was ich selbst im Übermaß habe", sagt Thoenissen über seine Motivation. Mit 13 Mentoren an zwölf Schulen startete das Projekt. Mittlerweile besteht das Team aus 33 Mentoren an 19 Mittel- und Gesamtschulen. Sie alle sind zwischen 60 und 80 Jahren alt und kommen aus verantwortungsvollen Positionen in der Wirtschaft. Wer Mentor werden will, muss zuerst an drei Schulen hospitieren.

In der Mittelschule an der Fernpaßstraße betreut Wolfgang Thoenissen eine neunte Klasse. Wenn die Schüler Fächer wie Religion oder Kunst haben, kommt er vorbei und holt sie nacheinander zum Einzelgespräch, um mit ihnen über ihre Zukunft zu sprechen. Zusammen gehen sie Lebensläufe durch, suchen im Internet nach neuen Stellenausschreibungen und verbessern Anschreiben. Thoenissen bringt die Schüler immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. "Da musst du eine Stunde mit der Bahn hinfahren, schaffst du das?", fragt er dann. Oder: "Die verlangen Mittlere Reife und eine Zwei in Englisch."

Es gibt auch Arbeitgeber, die einen qualifizierten Hauptschulabschluss fordern. Noten seien trotzdem nicht alles. "Bei vielen anderen sind die Kopfbemerkungen wichtiger", sagt Thoenissen. Dazu zählen zum Beispiel Pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft und ein überzeugendes Auftreten im Bewerbungsgespräch. Das simulieren die Job-Mentoren mit den Schülern dann, wenn sie soweit sind. "Manchmal sollen die Schüler auch erst eine Woche zum Praktikum kommen", sagt Thoenissen.

Von 20 Schülern einer neunten Klasse der Mittelschule kämen etwa zwölf in Frage für eine Lehrstelle, die übrigen gehen entweder auf eine weiterführende Schule oder machen ein Berufsvorbereitungsjahr. Sie sind noch nicht bereit, ins Arbeitsleben zu starten: "So was merken wir im Einzelgespräch. Zum Beispiel daran, wie uns der Schüler von seinem Praktikum erzählt." Wenn die Job-Mentoren den Eindruck haben, dass der Schüler bereit für den Bewerbungsprozess ist, beginnt die Betreuung: "Dann entscheiden wir nach Dringlichkeit." Wer sich noch orientieren muss oder für seine Lehre früheren Bewerbungsschluss hat, ist zuerst an der Reihe.

Paul Hörmann, Direktor der Untersendlinger Mittelschule an der Fernpaßstraße, ist dankbar für die Hilfe: "Das ist auf jeden Fall eine Verbesserung und Unterstützung." Thoenissen und sein Team können einzeln auf die Schüler eingehen, was in der Klasse sonst nicht möglich wäre. So würden auch die Lehrer entlastet, die neben ihrem regulären Stoff oft nur wenig Zeit für Bewerbungstraining hätten.

In den kommenden Jahren werden vor allem die derzeit nach Deutschland kommenden Flüchtlinge die Hilfe der Job-Mentoren benötigen. Sie gehen zunächst in sogenannte Übergangsklassen, lernen dort hauptsächlich die deutsche Sprache. Aber auch ihre eigene Kultur soll erhalten bleiben. "Das wird sicher eine große Herausforderung für uns", sagt Hörmann.

Viele Kinder und Jugendliche kommen alleine nach Deutschland. Bei anderen sind die Eltern wenig zu Hause und sprechen selbst nur ein schlechtes Deutsch. Bei Hausaufgaben und Bewerbungen werden sie nicht helfen können. "Deswegen brauchen wir mehr Mentoren", sagt Thoenissen. Vor allem Männer und Frauen mit Meister-Abschluss suchen sie: "Mit Akademikern können sich die Schüler oft nicht identifizieren."

Weitere Infos: www.job-mentoring-muenchen.de oder bei info@job-mentoring-muenchen.de.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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