Untermenzing:Kein Hundehaufen

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Die Grünen wollen die Angerlohe unter Naturschutz stellen und fordern Leinenzwang. Bei einem Streifzug zeigt sich, dass Spaziergänger und ihre vierbeinigen Begleiter den Lohwald auch jetzt schon respektvoll nutzen

Von Anita Naujokat, Untermenzing

Leo geht nicht gern an der Leine. Nachdem ihn Herrchen Rigobert Kaiser kurzzeitig an die Leine genommen hat, setzt sich der zweijährige Maltesermischling mitten auf den Weg, sodass ihm das Halsband über den Kopf und die wuschligen Ohren rutscht. Rigobert Kaiser geht zurück und lässt Leo wieder frei laufen. Und als wüsste der Hund, dass vielleicht seine Freiheit auf dem Spiel stehen könnte, bleibt er brav auf den Hauptwegen, ohne dass ihn Kaiser extra dazu ermahnen müsste.

Nicht nur Leo und seine Artgenossen sind Gegenstand eines schwelenden Konflikts zwischen Anwohnern und Teilen des Bezirksausschusses, um die Frage, was im Landschaftsschutz- und FFH-Gebiet Angerlohe künftig noch erlaubt sein soll oder nicht. Die Grünen fordern für die Angerlohe den gleichen Schutzzustand wie er für die Allacher Lohe gilt, die Naturschutzgebiet ist. Ginge es nach dem vom Bezirksausschuss verabschiedeten Antrag der Grünen, sollen Spaziergänger dann künftig nicht mehr von den Hauptwegen abweichen dürfen, um die vielen Trampelpfade zu reduzieren, Hunde nur noch an der Leine mitgeführt werden, um nicht Bodenbrüter aufzuscheuchen und beim Baden in den Biotopen Laichbestände zu vernichten.

Eine Leinenpflicht für die Angerlohe hat die Stadt aufgrund mangelnder Rechtsgrundlage abgelehnt und auch keine Aktualisierung der Landschaftsschutzgebietsverordnung in Aussicht gestellt. Und was das Betreten der Hauptwege betreffe, handle es sich bei der Angerlohe um eine freie Natur- und Landschaft, in der das Betreten des Walds zur Erholung gestattet sei, antwortete das städtische Baureferat auf den Antrag des Allach-Untermenzinger Bezirksausschusses.

Die Grünen indes hatten sich damit nicht zufrieden gegeben. Die CSU-Stadträtin und Vorsitzende des Bezirksausschusses Heike Kainz fasste das Anliegen dann so zusammen, prüfen lassen zu wollen, welche Kriterien und Voraussetzungen für Naturschutzgebiete erfüllt sein müssen. Dagegen sind Anwohner in einer der nachfolgenden Sitzungen Sturm gelaufen. Sie wollen nicht jedes Gebiet strengen Naturschutzregeln unterordnen, sondern die Angerlohe als Naherholungsgebiet und grüne Lunge für die Bevölkerung behalten, in der auch Hunde nach Herzenslust laufen und Kinder Verstecken spielen dürfen. Eine Anwohnerin hatte allerdings auch mehr gegenseitige Rücksicht angemahnt.

Schon von Weitem empfängt einen an jenem Freitag in der Angerlohe lautes Gebell. Doch es stammt nicht von den Hunden der Spaziergänger, sondern vom Gelände der nahe gelegenen Polizeihundeschule. Für einen sonnigen, warmen Nachmittag ist erstaunlich wenig los. Die Behauptung der Grünen, die Angerlohe als eine der letzten Lohwälder Europas verkomme immer mehr zum Hundeklo, bestätigt sich an jenem Tag jedenfalls nicht. Gerade mal eine Handvoll Menschen mit Hunden sind während des dreistündigen Streifzugs auszumachen, und das sei eher die Norm als die Ausnahme, sagt Rigobert Kaiser, der seit zwei Jahren nahe der Angerlohe wohnt. Er habe noch nie erlebt, dass die Angerlohe geradezu überrannt worden sei. Auch ist auf und entlang der Wege an jenem Tag kein einziger Hundehaufen zu entdecken.

Für Rigobert Kaiser ist der Wald ein Naturschauspiel ohnegleichen, der sich je nach Lichteinfall und Jahreszeit immer wieder anders präsentiert und sich ständig wandelt. Das sei auch mit den beklagten Trampelpfaden so, sagt Kaiser. Er zeigt einem Stellen, an denen oft über Wochen quer über den Wegen liegende umgestürzte Bäume ein Weiterkommen blockieren. Die Spaziergänger gingen dann natürlich um die Hindernisse herum und es bildeten sich neue Pfade. Doch genauso schnell, das zeigt Rigobert Kaiser an anderen Stellen, sei von den Pfaden nichts mehr zu sehen, nachdem die Bäume auf die Seite geräumt und die Hauptwege wieder zu benutzen seien. Die Natur erobert sich ihr Terrain zurück. "Man sollte die Kirche im Dorf lassen", sagt Rigobert Kaiser über den Grünen-Vorstoß für mehr Naturschutz und Leinenzwang.

Die Bodenvegetation des Landschaftsschutzgebiets Angerlohe in Untermenzing gilt als üppig entwickelt. (Foto: Anton Brand/oh)

Für Anwohner sind eben auch Mensch und Hund ein Teil der Natur. An den kleinen hinter Bäumen versteckt liegenden Tümpeln östlich der Hehnstraße ist an diesem Tag kein einziger Mensch zu sehen. Nur ein Entenpärchen watschelt träge aus dem Wasser, in das eigentlich kaum ein Hundehalter freiwillig seinen Vierbeiner hineinlassen dürfte, will er ihn nicht danach einer gründlichen Wäsche unterziehen. In heißen Sommern, haben langjährige Anwohner berichtet, versandeten die Biotope wohl öfter. Abhilfe leiste dann regelmäßig die Freiwillige Feuerwehr, wenn man sie bitte, die Grünen habe man für derartige Hilfsaktionen noch nie gesehen. Und gerade die Hundehalter sammelten Müll ein, weil sie eben wollten, dass die Angerlohe sauber bleibe.

An dem Teich am Rand einer großen Magerwiese genießen ein paar Menschen die warme Sonne. "Unverhältnismäßig", meint dort eine Frau, auf den Leinenzwang hin angesprochen. Sie möchte nicht namentlich genannt werden. Und, fragt sie, was sei dann mit den Waldkindergärten? Sie halte auch die Argumentation in sich für unstimmig: Es seien ja nicht nur Hunde, die eventuell Brüter und Pflanzen in der Angerlohe stören könnten, sondern schließlich auch der Mensch. Wie zum Beweis fährt in diesem Moment ein Landwirt mit seinem Traktor auf das angrenzende Feld.

Das Landschaftsschutzgebiet Angerlohe in Untermenzing. (Foto: Anton Brand/oh)

Die Hunde haben an diesem Tag offenbar keine Lust auf ein Bad und Wasserspiele. Leo nähert sich vorsichtig dem Ufer und schlabbert ebenso wie ein anderer Vierbeiner, ein wenig Wasser aus dem Teich. Eine junge Familie schlendert mit einem Kleinkind heran. Einen Hund haben sie nicht und auch von dem Konflikt noch nichts gehört. Frei laufende Hunde stören sie nicht, sagen die Erwachsenen. Ein sportlich aussehender Vater mit seinem Sohn ist dagegen "leidenschaftslos". Sollten die Regeln für die Angerlohe immer weiter verschärft werden, sagt er, "dann gehen wir halt woanders hin".

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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