Reparationsforderungen:"Ich will nicht moralisierend sein"

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Stefan Kisters, Berufsschullehrer und Mitglied der Grünen. (Foto: Christian Endt)

Deutschland soll Griechenland elf Milliarden Euro an Reparationen schulden - vor allem aus einem Zwangskredit, den die Nationalsozialisten einst der griechischen Notenbank abpressten. Stefan Kisters hat seinen Anteil nun zurückgezahlt und erklärt warum.

Interview von Carolin Fries, Grafing

Stefan Kisters aus Grafing im Landkreis Ebersberg hat vor wenigen Tagen 135 Euro an die Organisation "Ärzte der Welt" überwiesen. Der 48 Jahre alte Berufsschullehrer und Mitglied der Grünen hat damit seinen rechnerischen Anteil an den geforderten Rückzahlungen aus der Zwangsanleihe von 1942 an Griechenland zurückgezahlt. Kisters will damit einen Kontrapunkt in der aktuellen Diskussion setzen - aber nicht den Zeigefinger heben, wie er im Interview betont.

SZ: Herr Kisters, wie ist Ihr Verhältnis zu Griechenland?

Stefan Kisters: Aufgeladen von sehr schönen Erinnerungen an einige Urlaube dort. Doch auch hier in Grafing pflege ich die griechische Kultur. "Wir gehen zum Griechen" ist quasi ein geflügeltes Wort. Und zu guter letzt habe ich am humanistischen Gymnasium Altgriechisch gelernt, das große Graecum gemacht, Leistungskurs Griechisch gewählt.

Sprechen Sie griechisch?

Die Anfangszeilen der Odyssee . . . Mehr ist es nicht, aber ich kann es lesen, alle Buchstaben von Alpha bis Omega.

Fühlten Sie sich deshalb gleich von der Aktion Ihres Parteifreundes Toni Schuberl aus Passau angesprochen, der seinen Schuldenanteil beglichen hat?

Ich habe das über den Grünen-E-Mail-Verteiler mitbekommen und fand die Aktion gut gesetzt. Nichts, was irgendwie groß Aufsehen erregt, aber eine Diskussion anstoßen kann, einen Kontrapunkt setzt. Aktuell ist es ja eher so, dass man die Griechen gerne in eine Schublade steckt, auf der steht: "Bringt euren Laden doch selbst in Ordnung".

Und was steht auf Ihrer Schublade?

Ich habe die Sendung Hart aber fair gesehen, in der sehr kontrovers über die Zwangsanleihen diskutiert wurde. Sehr schnell war mir klar, dass es falsch ist zu sagen: "Jetzt wo's a Geld brauchen, kommens daher".

Wie ist es dann?

Ich bin jetzt kein Historiker. Auch mir fehlen noch Informationen. Aber in der Sendung kam doch klar zum Ausdruck, dass die Forderungen berechtigt sind. Das kann man nicht einfach unter den Teppich kehren, sonst sorgt das noch Jahrzehnte später für Sprengstoff in den bilateralen Beziehungen. Womöglich wurden diese Forderungen bislang nur deshalb nicht gestellt, um diese Beziehungen zu schützen.

In Ihrer Presseerklärung heißt es, Sie nehmen es auf sich, dass "viele den Kopf schütteln und meine Aktion als naiv bezeichnen". Wie sind die Reaktionen?

Barbara Poneleit, Grünen-Kreisrätin aus Forchheim, hat sich ebenfalls angeschlossen.

Warum geht Ihr Geld an "Ärzte der Welt" ?

Die haben verschiedene Bereiche, wo sie sich engagieren, unter anderem in Griechenland. Man kann ganz gezielt spenden und über den Verwendungszweck angeben, wo das Geld verwendet werden soll. Ich habe im Bemerkungsfeld zudem notiert, dass es sich um eine Teilrückzahlung der Zwangsanleihen handelt. Mal schauen, ob da noch Reaktionen kommen.

Sie haben jetzt 135 Euro gezahlt, für eine vierköpfige Familie läge der rechnerische Betrag bei 540 Euro.

Ich habe eben für mich gezahlt, und ich hebe nicht den Zeigefinger und will auch nicht moralisierend sein. Ich weiß, dass sich sehr viele Menschen in sehr vielen Bereichen engagieren. Ich bin fern ab davon, den Menschen zu sagen, was sie tun sollen.

Haben Sie für die 135 Euro bewusst auf etwas verzichtet?

Wirklich übrig hatte ich die Summe nicht.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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