Vielleicht würde es um die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Griechenland viel besser stehen, hätten mehr deutsche Politiker solche Worte gefunden. Bundespräsident Joachim Gauck sagte im vergangenen Jahr bei seinem Besuch in Griechenland über die deutsche Besatzungszeit und ihre Folgen: "Ich wünschte so sehr, längst hätte einer gesagt, der damals Befehle gegeben und ausgeführt hat: ,Ich bitte um Entschuldigung.' Oder: ,Es tut mir so unendlich leid.'" Es seien "diese nicht gesagten Sätze, die eine zweite Schuld begründen, da sie die Opfer sogar noch aus der Erinnerung verbannen".
Die in der Eurokrise gewachsenen Spannungen zwischen Berlin und Athen haben ihren Grund nicht zuletzt darin, dass deutsche Regierungen zu selten Bedauern über die Ausplünderung des Landes und die Gräuel äußerten, die SS und Wehrmacht während der Besatzungszeit 1941 bis 1944 in Griechenland angerichtet haben.
Hunderttausende Tote durch Hungersnöte; verbrannte Dörfer, ermordete Zivilisten, Zehntausende in die Vernichtungslager deportierte Juden, eine zerstörte Wirtschaft - die Brutalität der Besatzer sollte den griechischen Widerstand brechen. Nach dem Krieg aber wollten die Deutschen wenig davon hören.
Tsipras will alte Forderungen aufleben lassen
Alexis Tsipras, der neue griechische Premier, hatte gerade seinen Amtseid abgelegt, da stand er vor einem schlichten Denkmal: am ehemaligen Schießstand von Kesariani, wo einst deutsche Exekutionskommandos 600 griechische Widerstandskämpfer hinrichteten.
Der Besuch war mehr als eine Geste. Tsipras will alte Forderungen wieder aufleben lassen, nach der Begleichung deutscher Kriegsschulden: "Entschädigungen für Nazi-Kriegsverbrechen und den Zwangskredit", so hatte er vor dem Wahltag versprochen.
Schon der nun abgetretene konservative Premier Antonis Samaras hatte eine Expertenkommission eingesetzt. Die rechnete vor, Deutschland schulde Griechenland elf Milliarden Euro - vor allem aus einem Zwangskredit, den die Nationalsozialisten einst der griechischen Notenbank abpressten, womit sie unter anderem Erwin Rommels Feldzug in Nordafrika finanzierten. In der griechischen Öffentlichkeit war auch von weit höheren Summen die Rede.
Der Kommission gehörte anfangs der deutsch-griechische Historiker Hagen Fleischer an. Fleischer war Mitte der 70er-Jahre im Bundesarchiv in Koblenz ein Konvolut frisch eingetroffener Akten aus US-Beständen in die Hände gefallen. Darin fand sich auch jene "Denkschrift", in der Reichsbankbeamte Anfang 1945 die "Reichsverschuldung gegenüber Griechenland" auflisteten. Hier war auch der Zwangskredit von 476 Millionen Reichsmark von 1942 verzeichnet.
Fleischer sagt, generelle Reparationsforderungen Griechenlands hätten heute keinen Erfolg mehr. Deshalb sollte Athen darauf "offiziell verzichten", was das Land bislang nie getan hat. Der Verzicht sollte allerdings, so Fleischer zur Süddeutschen Zeitung, "mit der dringenden Bitte verbunden werden, dass man sich an einen Tisch setzt" und mit der alten Anleihe befasst.
Denn die war eine griechische Besonderheit, in keinem anderen von den Nazis besetzten Land habe es so etwas gegeben, betont Fleischer. Hier hat Athen also einen Punkt. Der Historiker widerspricht daher auch dem Argument, der Zwangskredit falle unter die "Reparationen", die sich 70 Jahre nach Kriegsende "unter Freunden" erledigt hätten, wie Berlin argumentiert.