Übertritt ins Gymnasium:Große Klasse

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Viele Eltern wollen ihr Kind auf eines der städtischen Gymnasien schicken. Wegen des Andrangs ist dort mit Klassen zu rechnen, in denen weit über 30 Schüler sitzen.

Christian Rost

Bekanntlich haben Medaillen zwei Seiten. Auf den laufenden Schulbetrieb übertragen heißt das: Es ist einerseits erfreulich, dass in München immer mehr Kinder nach der Grundschule auf ein Gymnasium gehen, auch solche aus sogenannten bildungsfernen Schichten. Auf gut 52 Prozent beläuft sich heuer die Übertrittsquote, das sind 4811 Kinder. Im vergangenen Jahr waren es noch 4622 Schüler, wie Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) am Mittwoch erklärte.

Beim Bildungsstreik forderten Schüler und Studenten unter anderem kleinere Klassen. An den städtischen Gymnasien in München kann das nicht umgesetzt werden. (Foto: Foto: ddp)

Die steigende Schülerzahl bedeutet aber auch, dass es immer enger wird in den Klassenzimmern. So werden in diesem Schuljahr an den städtischen Gymnasien, wenn einmal alle Kinder, die doch lieber auf eine staatliche oder eine Privatschule wechseln oder die mit ihren Eltern umziehen, abgezogen sind, noch immer mehr als 30 Buben und Mädchen in den Klassen sitzen. Es werden sogar "deutlich mehr als 30" sein, wie Wilhelm Nutzinger vermutet.

Zahl der fünften Klassen ist begrenzt Nutzinger hat alljährlich einen nervenzehrenden Job zu Schulbeginn: Der Leiter der Fachabteilung Gymnasien im Schulreferat muss möglichst viele Kinder an den höheren Schulen der Stadt unterbringen, obwohl er maximal 50 fünfte Klassen bilden darf. Die Beschränkung der Eingangsklassen hat ihm der Stadtrat auferlegt, der mit der Deckelung verhindern will, dass zu viele Kinder städtische anstatt staatliche Schulen besuchen und damit die Kosten für die Kommune aus dem Ruder laufen. Denn eigentlich liegt der Bildungsauftrag beim Land; dass München eigene Schulen betreibt, ist eine rein freiwillige Angelegenheit.

Der Sparzwang auf der einen Seite und quengelnde Eltern auf der anderen, die ihr Kind eben unbedingt auf ein städtisches Gymnasium schicken wollen - dies setzt Nutzinger gehörig unter Druck. Er füllt also alle 50 Klassen mit 30 Schülern auf. Dazu kommen allerdings noch die Sitzenbleiber aus dem Vorjahr und Schüler, die aus Platzmangel an keiner anderen Schule unterkommen. Die setzt der zuständige Ministerialbeauftragte im Kultusministerium noch zusätzlich in Nutzingers Klassen. So ist zu erwarten, dass nach dem momentan noch immer laufenden Hin- und Hergeschiebe die Klassen mit 33, 34 oder sogar noch mehr Schülern bis zum bersten voll sein werden - und es auch bleiben. Wegen der beschränkten Klassenzahl an den städtischen Gymnasien sind weitere Teilungen nicht möglich.

Gutes Angebot führt zum Schüler-Ansturm "Schuld" an der Situation ist die Stadt selbst: Der Andrang an ihren Schulen ist nicht zuletzt so groß, weil das Angebot so gut ist. So werden weiter die Ganztagsangebote ausgebaut, es gibt genügend Lehrkräfte und Hilfen für die Schüler in "Skill"- und Intensivierungsstunden. Neuerdings bieten städtische Gymnasien (wie übrigens auch die Realschulen) eine spezielle Deutschförderung an, die besonders Kindern aus zugewanderten oder sozial schwachen Familien zugutekommt.

Die drangvolle Enge an den Gymnasien ist aber auch die Folge einer städtischen Schulpolitik, die steigende Geburtenzahlen und Übertrittsquoten jahrelang ignoriert hat. Erst vor kurzem ist die Stadt aufgewacht und hat eilig damit begonnen, drei neue Gymnasien zu planen und andere zu erweitern. Von den Projekten mit einem Investitionsvolumen von 150 Millionen Euro für die Neubauten und weiteren 90 Millionen für Erweiterungen wird aber kaum eines vor 2010 fertig sein. Und dann läuft ohnehin das G9 aus, wodurch ein Jahrgang wegfällt und sich die Lage wieder entspannt.

© SZ vom 01.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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