Trudering:Schräge Geschäfte und schlechtes Gewissen

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Ein Neubaugebiet in Trudering wurde kürzlich überflutet - eine Geschichte nicht gerade zum Ruhme der Stadt.

Bernd Kastner

Niemand würde sich wundern, fände die Sumpf-Affäre von Trudering ihre Fortsetzung vor Gericht. Zu viel Geld ist im Spiel, zu groß ist der den Anwohnern entstandene und drohende Schaden, zu sehr sind die Akteure zerstritten. Sie würden sich dann dort wieder treffen, wo die Geschichte dieses Baugebiets wohl seinen Anfang nahm: vor einem Richter.

Im Herbst 2006 begann der illegale Kiesabbau an der Haffstraße. (Foto: Foto: privat)

Das Neubaugebiet an der Haffstraße wurde kürzlich überflutet, weil offenbar private Baufirmen gepfuscht und städtische Behörden geschlafen haben. Entlang der neuen Häuser wurde auf 500 Meter Länge bis zum Grundwasser Kies ausgebaggert. Offensichtlich aufgrund unsachgemäßer Verfüllung versickert das Regenwasser so schlecht, dass sich Pfützen und Seen bilden. Die Affäre offenbart eine miserable Koordination der involvierten städtischen Referate: So wusste die Lokalbaukommission nicht, dass die Fläche seit Ende 2006 der Stadt gehört.

Die Eigentumsverhältnisse an der Haffstraße gehen, glaubt man den CSU-Stadträten Walter Zöller und Georg Kronawitter, auf einen Deal zurück. 1998 hatte die Stadt einen Prozess um Baurecht de facto verloren. Die Stadt wollte einem Grundeigentümer in der Heilmannstraße in Solln nicht das gewünschte Baurecht zugestehen, der zog vor Gericht, und dieses empfahl der Verwaltung einen Vergleich, wolle sie nicht ein negatives Urteil kassieren.

Also, so die CSU-Erinnerung, habe die Stadt zugesagt, unter anderem an der Haffstraße Baurecht zu schaffen. Irgendwie muss es dann auch gelungen sein, dass der Prozessgegner Eigentümer eben dieser Flächen wurde.

Im Planungsreferat widerspricht man dieser Darstellung: Das Gebiet in Trudering wäre früher oder später ohnehin bebaut worden. Es stimme aber, dass man den einstigen Prozessgegner, es handelt sich nach SZ-Informationen um den Architekten Dieter R., an der Haffstraße entschädigte: Die Stadt erließ ihm die Sozialquote, so hat es die Mehrheit im Rathaus im Juli 2004 beschlossen.

Unmut vor Ort

Eigentlich müssen in einem Neubaugebiet 30 Prozent Sozialwohnungen entstehen. Nicht aber an der Haffstraße. Der Wert des Baulands stieg, der "Planungsbegünstigte" wurde so entschädigt.

Die CSU war gegen diesen Deal, und auch den rot-grünen Regierungsfraktionen kamen Zweifel. Wenig später stellten die SPD-Rätin Constanze Lindner-Schädlich und ihr grüner Kollege Boris Schwartz folgenden Antrag im Stadtrat: Die Verwaltung möge Vorschläge erarbeiten, um gerichtliche Baurechts-Niederlagen in einem Stadtteil nicht dadurch auszugleichen, indem man in einem anderen Quartier neues Baurecht schaffe.

Das aber sei die Regel, so die rot-grünen Räte, und damit gerate die Stadt unter Druck, schnellstmöglich ein Baugebiet zur Kompensation zu finden. "Dadurch kann vor Ort Unmut entstehen.." Genauso war es an der Haffstraße: Unter den Alt-Anwohnern war der Verdruss groß über die neuen Häuser vor der Nase.

Der Antrag stammt vom März 2005 - und ist bis heute nicht bearbeitet. Inzwischen gehört Lindner-Schädlich gar nicht mehr dem Stadtrat an, und Schwartz räumt ein, die eigene Forderung schon vergessen zu haben. Und das Planungsreferat? "Der Antrag ist in Bearbeitung", heißt es. "Er ist auch schon kurz vor Abschluss." Schon? 52 Monate arbeitet das Referat nun daran, die übliche Frist beträgt drei Monate.

CSU-Planungsexperte Walter Zöller wertet den rot-grünen Antrag von damals als Zeichen eines "schlechten Gewissens". Andererseits hätten die Kollegen aus der Regierungskoalition hinterher wohl "kein Interesse" mehr am Nachhaken gehabt, weil sonst "das peinlichen Geschäft wieder hochkommt".

Die Anwohner sind die Leidtragenden

Die Kooperation zwischen Stadt und Dieter R. steht also auf einer konfliktreichen Basis. R. verpflichtete sich in einem städtebaulichen Vertrag, den Grünstreifen auszubauen. Doch bis Ende 2008 geschah dort nichts, vom Kiesabbau und der ebenfalls illegalen Zwischenlagerung großer Mengen Erdmaterials einmal abgesehen.

Während R. jede Stellungnahme verweigert, berichtet Jakob Fürst vom Bauträger Zapf, der dort 102 Häuser errichtete, dass seine Firma die Grünarbeiten übernommen habe, um den Unmut der Hauskäufer zu dämpfen. Weil sich in dem "Park" noch immer das Wasser in Tümpeln sammelt, streiten Stadt und Zapf ganz heftig miteinander. Das Baureferat lässt die Anlage nun auf Zapf-Kosten reparieren.

Unklar bleibt, wer den Kiesabbau in Auftrag gegeben hat, keiner will es gewesen sein. Während die Stadt seit Jahren Eigentümerin des Streifens ist, liegen bei den "Planungsbegünstigten" noch immer Lasten und Nutzen, wie es im Grund-und Boden-Jargon heißt. Dabei scheint es an der Haffstraße eine ganz spezielle Form der Lasten- und Nutzenverteilung zu geben: Die Anwohner sind die Leidtragenden, ihnen bleibt nur, auf trockenes Wetter zu hoffen. Den Profit haben andere, denn ein Geschäft dürfte der Kiesabbau allemal gewesen sein.

© SZ vom 22.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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