Tierhaltung:Schwieriger Spagat

Lesezeit: 2 min

Harald Ulmer von der von der Landesvereinigung für ökologischen Landbau. (Foto: oh)

Harald Ulmer über täuschende Bilder und falsche Vorstellungen der Verbraucher

Interview von Christian Sebald, München

Harald Ulmer von der Landesvereinigung für ökologischen Landbau erklärt Ideale und Zwänge der Tierhaltung.

SZ: Die Vorwürfe gegen die Herrmannsdorfer Landwerkstätten haben zu einer Debatte über die Tierhaltung der Biobauern geführt. Ist die Debatte notwendig?

Harald Ulmer: Die Debatte ist wichtig. Die Gesellschaft will wissen, wie wir Biobauern unsere Tiere halten. In der Bio-Landwirtschaft haben wir den Anspruch, dass wir das möglichst artgerecht tun. Deshalb müssen wir die Debatte offen führen.

Gibt es bei Biobauern blinde Flecken, wo sie dem Anspruch nicht gerecht werden?

Die Biobauern stecken in einem Spagat. Auf der einen Seite ist es ihr Anspruch, ihre Tiere artgerecht zu halten. Auf der anderen Seite müssen sie Abnehmer für das Fleisch, die Eier und die Milch haben. Sie müssen wirtschaftlich arbeiten. Die Produkte müssen ihre Kunden finden. Daher gibt es auch in der Biolandwirtschaft Kompromisse.

Eine möglichst artgerechte Tierhaltung - das ist etwas anderes als die heile Nutztierwelt und Idylle vom althergebrachten Bauernhof, die sich viele unter Bio-Tierhaltung vorstellen.

Besonders artgerechte und moderne Bioställe werden nach pragmatischen Gesichtspunkten gebaut. Außerdem kann man auch von den besten Biohöfen schlimme Bilder produzieren - bei jeder Tiergeburt fließt Blut, bei schlechtem Wetter geht es auf dem saubersten Bauernhof schnell schmutzig zu. Das sind Punkte, die viele nicht wahrhaben wollen.

Warum haben die Biobauern den Spagat, von dem sie sprechen, nicht früher thematisiert? Dann hätten sich die Bilder von der heilen Bio-Welt nicht so festgesetzt.

Wir haben den Spagat immer offen angesprochen, wir haben gesagt, dass sich Bio für den Bauern rechnen muss. Aber das ist es nicht alleine. Man muss sich die Bio-Landwirtschaft als Prozess vorstellen.

Als Prozess?

Die Basis der Bio-Tierhaltung ist die Öko-Verordnung der EU aus dem Jahr 1999, die weit über die Vorgaben in der konventionellen Tierhaltung hinausgeht. Jeder Biobauer muss sie einhalten. Die Ideale der artgerechten Tierhaltung gehen aber noch sehr viel weiter. Also gibt es auf der einen Seite Biobetriebe, die sich an die EU-Verordnung halten, und auf der anderen welche, die nahe dran sind an den Idealen. Dazwischen gibt es viele Höfe, die auf dem Weg sind, immer besser zu werden. Außerdem waren fast alle Biobauern einmal konventionelle Landwirte - das heißt, dass sie wie die Bio-Landwirtschaft insgesamt in einem Lernprozess sind. Hier brauchen wir Unterstützung durch Forschung, Tierzucht und ökologische Bildungsangebote.

Gibt es für Sie schon ein erstes Fazit aus der Debatte um die Bio-Tierhaltung?

Wir Biobauern müssen noch intensiver auf die Verbraucher zugehen und ihnen unsere Ziele und unsere Wirklichkeit erklären. Wir müssen sie einladen, unsere Höfe zu besichtigen und sich mit uns auseinanderzusetzen. Und wir müssen uns der Kritik stellen. Auch wenn's weh tut.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: