Terrordrohungen in München:Wie der Polizeipräsident den Silvester-Einsatz rechtfertigt

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Hubertus Andrä sieht kein ruhiges Jahr auf die Polizei zukommen. (Foto: dpa)
  • Münchens Polizei-Chef Hubertus Andrä hat sich zu den Terrordrohungen in der Silvesternacht geäußert.
  • Die Hinweise auf mutmaßlich sieben Attentäter hätten sich nicht erhärtet.
  • Andrä äußerte sich auch zum Sicherheitskonzept für 2016. Für die Polizei werde das Jahr keine Entlastung bringen.

Von Susi Wimmer, München

Nach den Terrordrohungen und der Räumung des Hauptbahnhofs und des Pasinger Bahnhofs in der Silvesternacht hat Polizeipräsident Hubertus Andrä erklärt, dass sich die Hinweise auf mögliche Attentäter nicht erhärtet hätten. "Die Daten haben bisher zu keiner konkreten lebenden Person geführt", sagte er am Donnerstag im Presseclub.

Ob die mutmaßlich sieben Selbstmordattentäter tatsächlich existieren, dazu laufen die Ermittlungen noch. Nichtsdestotrotz, sagt Andrä, sei in der Silvesternacht "Abwarten keine Option" gewesen. "Wir mussten in den sauren Apfel beißen und räumen."

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Die Ereignisse der Silvesternacht sind noch nicht ganz aufgearbeitet. Jetzt, zwei Wochen später, habe sich herausgestellt, dass die Terrorwarnung, die von verschiedenen Nachrichtendiensten beim Bundeskriminalamt (BKA) eingegangen war, auf ein- und dieselbe Quelle zurückgegangen sei, erklärte Hubertus Andrä.

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Exakt um 19.40 Uhr erreichte die Terrorwarnung des BKA das Münchner Präsidium, und somit nur vier Stunden vor einem möglichen Anschlag um Mitternacht. "Die Nachrichten auf die Schnelle zu bewerten und zu verifizieren war schwierig", sagt Andrä. Also entschloss man sich, die Bahnhöfe zu sperren und die Bevölkerung zu warnen. Nein, stellt er klar, als Fehlalarm könne man den Einsatz sicher nicht bezeichnen. "Bei so einer Information muss man reagieren."

In derselben Nacht wurde Andrä auch in Staunen versetzt: "Es war für mich gigantisch, mit welcher Einsatzbereitschaft die Kollegen gekommen sind", schwärmt er. 550 waren sofort zur Stelle, eine Kollegin sogar mit Hund, weil sie auf die Schnelle keinen Hundesitter auftreiben konnte. "Ein Kollege hat sich nachträglich bei mir beschwert, warum er nicht alarmiert wurde", erzählt Andrä. Und das, obwohl die Münchner Beamten gut eine halbe Million Überstunden vor sich her schieben.

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Die meisten davon hatten die gut 6000 Münchner Polizisten nach dem G-7-Gipfel angehäuft, insgesamt 600 000. "Jeder Kollege hat also im Schnitt 100 Überstunden", sagt der Präsident. Angesichts der Lage zu jammern, hält Andrä für ein "Klassensprechersyndrom". Die Polizei müsse kreativ werden, intelligent überlegen, wie man Kollegen entlasten und bestimmte Einsätze mit weniger Personal meistern könne.

Was der Polizuei-Chef 2016 erwartet

"Natürlich werden wir bei den Schwerpunktthemen dranbleiben." Für ihn sind das die Wohnungseinbrüche (für das vergangene Jahr erwartet er "einen leichten Rückgang") sowie die permanenten Trickbetrügereien, bei denen vor allem Senioren um ihr Erspartes gebracht werden.

Das Jahr 2016, da ist Andrä sicher, werde für die Polizei keine Entlastung bringen. Im Gegenteil. Die Demonstrations- und Terrorlage werde schwieriger werden, außerdem stehe die Fußball-Europameisterschaft mit etlichen Public-Viewing-Veranstaltungen an. Von den 1000 neuen Stellen, die der Innenminister bewilligt hat, könne man jetzt noch nicht profitieren. "Die Beamten müssen erst ausgebildet werden, das dauert etwa vier Jahre."

Auch in punkto Ausstattung passt sich die Polizei der Terrorlage an. Neben der neuen Uniform in blau, die "aus bestem Material" geschneidert sei, werde auch die Schutzausstattung verbessert. "Jeder Beamte trägt eine angepasste Schutzweste. Die wird durch einen Umhang aufgerüstet, der Kalaschnikow-resistent ist", erzählt der Präsident.

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Auch die an "Star Wars" erinnernden neuen Helme seien speziell für gefährliche Situationen gefertigt worden, "da muss die Schönheit zurückstehen". Außerdem werde die in die Jahre gekommene Polizeiwaffe P 7 in naher Zukunft ausgetauscht gegen eine neue Waffe mit größerem Magazin.

Auch Deutschland steht im Fokus des internationalen Terrorismus, das weiß Andrä. Aber er sagt auch, dass nach der neuesten Statistik 2015 München wohl die sicherste Millionenstadt in Deutschland bleiben werde. Deshalb schlägt er für die nahe Zukunft vor, Fasching zu feiern, "wie in der Vergangenheit auch".

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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