Geht's noch? In einem Kellergewölbe feiern? Dabei hat es der Geburtstagsfeier am vergangenen Samstag eigentlich an nichts gefehlt. Einen Foodtruck mit Falafel-Köstlichkeiten gab es, dazu eigens erschaffene Drinks (oder zumindest neu ausgedachte Namen), ein Profi-DJ legte auf und sogar eine Bespaßungsstation (Fotoautomat mit Verkleidungskoffer, Sci-Fi-Riesentouch-Desk) im Nebenraum war aufgebaut. Und dann das: "Kein Netz". Kein einziger Balken. Nicht mal Edge! Die digitale Welt stand still da unten. Wie furchtbar!
Die Entwicklung in der Ausgehbranche ist derzeit ein wenig widersprüchlich. Auf der einen Seite geht es arg in Richtung Nostalgie. Drinks werden von ambitionierten Barkeepern mit ältlichen Rezepten oder längst vergessenen Zutaten gemischt. Der Cocktail-Columbus Jerry Thomas, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in New York die Neue Drinkwelt entdeckte, ist vor einiger Zeit in einem Standardwerk wieder verewigt worden.
Kein Retro bei der Technik
Seit Jahren verwendet man zudem in der Branche altes Mobiliar. Und eine Bar ohne Kerzenschein darf heute offenbar in München gar nicht mehr eröffnen. Nur bei der Technik ist die Retro-Bewegung noch nicht angekommen. Kabel-Telefone? Fernsprecher? Im Gegenteil: Freies Wlan allerorten, Ladestationen sowieso.
Und dann der Keller. Dort ist an dem Abend zunächst bei vielen ein zwanghaftes Phone-Zücken zu beobachten. Doch auf einmal lässt die Wirkung der Netzwerk-Droge nach. Kein Brummen mehr, kein Blinken, kein Plinkern. Nur Gewölbe, Gäste, Groove. Wie wunderbar. Man sollte den Bar-Entwicklern für ihre nächsten Rohbeton-Raumkonzepte als Gimmicks unbedingt Störsender ans Herz legen. Treten Sie ein! Schalten Sie ab! Und zwar alles.