Architektur:Hopfen-Tornados gegen triste Innenhöfe

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Der Innenhof der Architekturfakultät war bislang eine graue Einöde. Nun wachsen hier bei einem Projekt von Architekturprofessor Karl Kegler Hopfenpflanzen. (Foto: Catherina Hess)

Das Stadtklima wandelt sich. Darum suchen Architekturstudenten Ideen, wie auch in zubetonierten Hinterhöfen mehr Grün das Leben verschönern könnte.

Von Jessica Schober

Ausgerechnet Beton, und das im Innenhof der Architekturfakultät. Die Fläche zwischen den zwei Fachhochschulgebäuden in der Karlstraße 6 ist eine graue Einöde. Täglich laufen hier Studierende vorbei, die eigentlich lernen sollen, wie man Räume in sich verdichteten Großstädten sinnvoll gestaltet. Als Architekturprofessor Karl Kegler vor zweieinhalb Jahren aus Zürich nach München kam, betrachtete er die versiegelte Fläche als "verschenkten Raum". Pflastersteine auf halber Fußballfeldgröße, Betonbänke aus den Siebzigerjahren. Kein Schatten, kein Grün, kein Sichtschutz. "Dabei ist der offene Hof eigentlich eine große architektonische Geste", sagt Kegler. Bislang wurde dieser Raum jedoch nur von Geo-Informatik-Studenten für Vermessungsübungen genutzt. Nun sollen fünf so genannte Hopfentornados den Hinterhof begrünen.

Bei dem Semesterprojekt "Stadt Natur Garten" lernen Architekturstudierende, wie sie bei der Raumgestaltung mit Pflanzen arbeiten können. In 74 schwarzen Beuteln, sogenannten Grow Bags, ranken nun Hopfenpflanzen in den Himmel. Bislang erst rund 50 Zentimeter hoch, doch schon bald soll in fünf Metern Höhe das Grün gedeihen. Die beigemischte Kapuzinerkresse wächst langsamer und soll sich auch in die Breite ausdehnen.

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Zur Vorbereitung der Arbeit haben die Studierenden sich mit den Eigenschaften unterschiedlicher Pflanzen beschäftigt: Wie sollen die Pflanzen riechen? Wie sollen sie wachsen? Keine üblichen Fragen für angehende Architekten, der Professor lud deshalb Gärtnereiexperten als Gesprächspartner ein. Danach wurden diskutiert, in welcher Form der Hof bepflanzt werden soll. Letztlich hat eine Mischung aus Pragmatismus und Kreativität die Gruppe überzeugt: In fünf bis zu fünf Meter hohen, in sich gedrehten Säulen, sollen Hopfenpflanzen an Rankhilfen entlang nach oben wachsen, wo große Stahlringe den Abschluss der Naturskulptur bilden. In den Simulationen einer Studentin sehen die fertigen Objekte so ähnlich aus wie die Mae-West-Skulptur am Effnerplatz - nur eben in grün.

Warum mehr Grün so wichtig ist für die Städte der Zukunft, erklärt Architekturprofessor Kegler: "Das Stadtklima wandelt sich, die Sommer werden immer heißer - und in der Stadt mit ihren vielen versiegelten Flächen ist es eh viel wärmer als auf dem Land", sagt er. Deshalb würden dringend Ideen benötigt, wie auch in zubetonierten Hinterhöfen, in denen sich kein Baum mehr pflanzen ließe, Pflanzen Schatten spenden, die Luft kühlen und Feinstaub binden könnten. Die "Hopfen-Windhosen", wie der Professor sie nennt, würden dabei auch noch die Artenvielfalt fördern und zudem dazu einladen, unentdeckte Orte in der Stadt anders wahrzunehmen. Er könne sich zumindest solche Pflanzenkonstruktionen auch gut in Münchner Hinterhöfen vorstellen, zum Beispiel an der Schwanthaler Höhe, sagt Kegler.

"Das Entwerfen mit Pflanzen war für uns Neuland", sagt Studentin Ingrid Weyler. Sonst sei sie es nicht gewohnt, dass ihre Pläne aus dem Studium auch in der Realität umgesetzt würden. Zuletzt habe sie sich zum Beispiel mit einer städtebaulichen Quartiersplanung beschäftigt, die wohl niemals so gebaut werden werde, sagt sie. Bei dem Gartenprojekt sei das anders, anwendungsbezogener und gleich so praktisch, dass die Studenten vom Pflanzen braune Ränder unter den Fingernägeln bekamen. "Wir laufen jetzt seit sechs Semestern an diesem ungenutzten Steinplatz in der Mitte der Fachhochschule vorbei, da wurde es Zeit, etwas zu tun", ergänzt Kommilitonin Laura Schwanhäußer.

Dabei hatte die Mischung aus Begrünung und Kunstaktion selbst im Hochschulumfeld mit Widerständen zu kämpfen. Die benachbarten Geo-Informatiker fürchteten, im Innenhof keine Übungsmessungen mehr machen zu können. Also mussten die Grünskulpturen so platziert werden, dass sie die Sichtachsen der Messgeräte nicht schneiden. Als schließlich alle Fakultäten dem temporären Umbau zugestimmt hatten, schüttete ein Bagger sechs Kubikmeter Erde vor die Tür der Hochschule, "das war schon ein ordentlicher Haufen", sagt Laura Schwanhäußer.

Wenn nun alles wächst wie geplant, wird es bald grün: Am 27. Juli soll zum Semesterfest erstmals die Glastür zum Verbindungstrakt zwischen den Gebäuden geöffnet werden und so einen direkten Durchgang in den dann hoffentlich grünen Innenhof ermöglichen.

Die 74 Hopfenpflanzen - eine Spende der Gesellschaft für Hopfenforschung - werden diesen Sommer noch keine Dolden tragen. Das bedeutet, dass die Studierenden auf eine weitere Nutzungsmöglichkeit noch verzichten müssen: Ein eigenes Bier werden sie daraus so schnell nicht brauen können.

© SZ vom 24.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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