SZ-Adventskalender:Heftige Rückenschmerzen

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Alle vier Kinder von Hatice Ö. leiden unter Morbus Scheuermann

Von Florian Fuchs

Schwimmen, das würde Benjamin und Stefanie gut tun, aber sie gehen da beide nicht so gerne hin, obwohl ihre Mutter sie extra in einem Verein angemeldet hat. Schwimmen finden sie ein bisschen öde, und dann ist da halt auch der Druck dabei, dass sie es für ihren Rücken tun müssen - wo bleibt denn da der Spaß? Dabei würde der zwölfjährige Benjamin viel lieber Fußball spielen, aber das ist überhaupt nicht gut für die Knochen. Stefanie ist bald 16 Jahre alt, dann will sie ins Fitnessstudio gehen, das ist auch sinnvoll, um den Rücken zu stärken, mit dem sie wie ihr Bruder und ihre anderen beiden anderen Geschwister so große Probleme hat. Alle vier Kinder von Hatice Ö. (alle Namen geändert) leiden unter Morbus Scheuermann, einer Wachstumsstörung der Wirbelsäule, die heftige Schmerzen verursacht.

Beim ältesten Sohn Michael etwa, erzählt die Mutter, sei die Krankheit so stark ausgeprägt, dass er nur drei bis vier Stunden Schlaf findet pro Nacht - wenn überhaupt. Schon als kleines Kind hatte der heute 22-Jährige oft Rückenschmerzen, die Ärzte sagten ihm, dass er gerade sitzen soll. Mit zwölf Jahren hatte er dann schon allein beim Sitzen so starke Schmerzen, dass ihn seine Mutter wieder untersuchen ließ. Die Diagnose: Morbus Scheuermann. Michael musste nun ein Korsett tragen, was ihm ziemlich peinlich war in der Schule. Zudem bekam er auch öfter körperliche Ausfälle, einmal funktionierten etwa für eine gewisse Zeit die Augen nicht mehr richtig.

In einer speziellen Wirbelsäulenklinik in der Nähe von Rosenheim beschlossen sie dann, dass Michael operiert werden muss, dabei hatte er so eine Angst vor dem Eingriff: Eine Woche lang durfte er sich nach der Operation nicht bewegen in seinem Krankenbett. Auch das stärkste Morphium half nichts gegen die Schmerzen in dieser Woche, bevor sie ihm dann in einer zweiten Operation Platinplatten einsetzten. Sechs Monate musste seine Mutter ihn zu Hause pflegen, bevor er einigermaßen wieder auf den Beinen war. Die Schmerzen aber sind kaum besser geworden. Auch seine jüngeren Geschwister nahm seine Krankheit ziemlich mit, sie verschlechterten sich in der Schule und hatten Angst, dass sie selbst so krank werden - da ahnten sie noch nicht, dass es tatsächlich so kommen sollte.

Nach und nach merkte die Mutter, dass auch ihre anderen beiden Söhne und die Tochter Probleme mit dem Rücken haben. Während der Vater Tag für Tag in einer Gärtnerei arbeitet, geht die Mutter mit den Kindern zur Physiotherapie, zur Ergotherapie, zum Schwimmen, zu verschiedenen Ärzten. "Mein Gott, wo bin ich schon überall gewesen", sagt sie. Morgens bringt sie ihre Kinder zur Schule, manchmal holt sie einen der Söhne mittags ab und trägt ihm den Rucksack hundert Meter weiter zum Hort, weil der Rücken wieder so weh tut.

Trotz der Schmerzen bemühen sich alle Kinder, aber für die Hausaufgaben und verschiedene Schulprojekte bräuchten die Geschwister einen Laptop, den sich die Familie nicht leisten kann. Immer wieder ist etwas kaputt, immer wieder muss etwas angeschafft werden, weshalb die Familie ohnehin schon Schulden gemacht hat. Und Michael, der älteste Sohn, hatte eine schwierige Phase, in der er einfach Dinge im Internet bestellte, die nun auch abbezahlt werden müssen. Aber er hat sich nun auch einen Job gesucht, trotz der Schmerzen, und zahlt alles fleißig ab.

Die Kinder haben kleinere Wünsche, einen Legozug, Schlittschuhe oder ein Fahrrad zum Beispiel. Vor allem aber wünschen sich alle eine Couch, die groß genug ist, damit die ganze Familie darauf sitzen kann. Und die Couch müsste spezielle Nackenstützen haben, das hat ein Arzt gerade wieder attestiert, das macht die Sache natürlich nicht billiger. Aber es könnte helfen, die Krankheit wenigstens erträglicher zu machen.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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