Das Auto hat sie an der Hüfte erwischt. "Ich bin über die Kühlerhaube geflogen. Dann auf den Boden geknallt", erzählt Helga M. "Alles war kaputt. Das Becken, beide Sprunggelenke." Frau M., Jahrgang 1937, hat viele Monate gebraucht, um sich von dem Unfall zu erholen. Heute kann sie wieder laufen, nur "der Schwindel", wie sie es nennt, der sei geblieben.
Sie hat eine Greifzange, mit der sie aufhebt, was zu Boden fällt. So kann sie sich behelfen. Was nicht zurückgekehrt ist, ist ihr Geschmacksinn. Und der Geruch. "Ich kann selbst Zwiebeln schneiden, ohne dass ich was rieche." Klingt nur spaßig, ist es aber nicht. Denn die Lebensfreude ist schon gewaltig beschnitten, wenn man, wie Helga M., gerne mal einen Lebkuchen isst, sich aber weder an seinem Duft noch an dem Schokoladengeschmack erfreuen kann.
Der Unfall ist ein paar Jahre her, doch Helga M. erinnert sich gut. Die Kreuzung, unweit ihrer Wohnung. Die Ampel. "Ich hatte Grün", sagt sie. Der Autofahrer behauptete das Gegenteil. Der Fall kam vor Gericht - und sie bekam recht, dank einer Zeugenaussage. "Wenn er sich wenigstens entschuldigt hätte", sagt Helga M., hat er aber nicht. Das beschäftigt sie bis heute.
"Es war ja ein Superwunder, dass ich überlebt habe." Leicht hat sie es dennoch nicht. Früher hat sie als Haushaltshilfe gearbeitet, "bei zwei Blinden an der Implerstraße, lange. Die Arbeit hab' ich so gern gemacht."
Nur ist heute ihre Rente so klein, dass sie selbst 24 Euro für eine Packung Hustenlöser nur mit Mühe aufbringt. Auf einem Zettel hat Helga M. notiert, was sie für den Winter bräuchte: eine warme Zudecke fürs Bett, eine warme Jacke. "Und zwei Pullover, es friert mich immer so."