SZ-Adventskalender:Die Kraft des Lesens

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Ates ist seit seiner Geburt krank. Jetzt lernt er für einen IT-Job

Von Florian Fuchs, München

Das mit dem Lesen kam schon ganz früh, in der Grundschule. Immer gewann er den Lesewettbewerb an seiner Schule, in der siebten Klasse ist Ates sogar zweitbester Münchner Leser geworden, bei einem Wettbewerb hatte der Mittelschüler alle Gymnasiasten hinter sich gelassen und sich im Finale nur einmal verlesen - ein Fehler zu viel. "Ich habe ganz schön geweint, dass ich so knapp verloren habe", sagt Ates. Heute kann der 15-Jährige darüber wenigstens schmunzeln.

Das Lesen war vielleicht auch deshalb immer eine Leidenschaft des Buben, weil er so oft krank war. Manchmal, erzählt seiner Mutter, saß er am Fenster und hat die anderen Kinder beim Spielen beobachtet. Er musste in der Wohnung bleiben, weil er wieder etwas auszukurieren hat. "Eigentlich hat er immer alles mitgenommen, was an Krankheiten so da war." Gleich nach der Geburt haben die Ärzte der Mutter das Baby erst einmal weggenommen, weil es nichts trinken wollte. Seit er sechs Monate alt ist, leidet er an Asthma. Früher musste Ates immer inhalieren, auch Kortison. "Er hat es gehasst", sagt seine Mutter.

Ates leidet auch an chronischer Mittelohr-Entzündung, früher musste er praktisch alle vier Wochen Antibiotikum schlucken. Das Mittelohr ist so vernarbt, dass er nur schlecht hört. Seine Mutter hat das erst spät herausgefunden, weil er sich schon angewöhnt hatte, von den Lippen abzulesen. Und als er vor ein paar Jahren immer wieder Fieber hatte und in Ohnmacht fiel, da dachten die Ärzte an Leukämie. Nach langwierigen Untersuchungen stellte sich heraus, dass es doch nur Streptokokken waren. Der Verdacht auf eine Zyste im Gehirn hat sich allerdings bestätigt. Ates muss sie vielleicht operieren lassen, wenn sie wächst, was ein riskanter Eingriff wäre.

Der Fünfzehnjährige war oft krank, trotzdem ist er in der Schule auf einem sehr guten Weg. Ates möchte gerne in der IT-Branche arbeiten, deshalb macht er jetzt seinen Quali und danach die Mittlere Reife. Die Noten sind sehr gut, die Lehrer zuversichtlich, dass er das schaffen wird. Nebenbei hat er noch begonnen, Saz zu spielen, eine Art Langhalslaute. Allerdings können es sich seine Eltern nicht leisten, ihm so ein Instrument zu kaufen. Der Vater hatte so einen starken Bandscheibenvorfall, dass er notoperiert werden musste. Er verlor seitdem immer wieder seine Jobs, weil er sich noch nicht richtig bewegen kann. Mutter Leyla G. arbeitet in einer Schulkantine. Ates und seine Schwester bräuchten mal wieder ordentliche Winterkleidung, der größte Wunsch des 15-Jährigen wäre es aber, auf eine Computermesse zu fahren. "Es wäre noch einmal Motivation für ihn, in der Schule so gut weiterzumachen" - damit er seinen Traumberuf auch ergreifen kann.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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