SZ-Adventskalender:Das Leben kann kalt sein

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Nach einer Krebs-OP braucht Amadou K. Medikamente - die Krankenkasse zahlt nicht

Von Florian Fuchs, München

Das Wohnzimmer von Amadou K. ist spartanisch eingerichtet - eine Sitzgarnitur, ein kleiner Tisch, ein Fernseher. Nur eines gibt es hier im Überfluss: Medikamente. Große Tabletten und kleine Tabletten, Tropfen und dickflüssige Säfte, Pulver und Cremes. Unzählige Verpackungen stehen verstreut auf dem kleinen Couchtisch und neben einem Sofa. "Ich habe keinen Platz dafür, ich bräuchte einen Schrank", sagt K. mit sichtlicher Anstrengung. Das Reden fällt ihm nach seinem Kehlkopfkrebs nicht leicht: K. muss mit einer Trachialkanüle im Hals leben, also mit einem kurzen Schlauch, der in die Luftröhre eingesetzt wird, ernährt wird er hauptsächlich über eine Sonde. Dabei hat der 61-Jährige früher so gerne gekocht, afrikanisch, mit viel Reis und Hühnchen.

Wenn Amadou K. spricht, dann zischt es immer ein wenig durch die Kanüle in seinem Hals, er muss schwer atmen, ab und an wird er von Hustenanfällen geschüttelt. Anfang der Achtzigerjahre ist er aus dem Senegal nach Europa gekommen. Es ging ihm gut, er hatte immer einen Job, auf dem Bau oder in anderen Branchen. Aber dann, im Jahr 2006, kam der große Bruch. K. war gerade Einkaufen, als ihm schwindlig wurde und er umkippte. Mitten auf der Straße. Passanten riefen den Notarzt, K. kam in eine Klinik. Die Niere war da schon ziemlich kaputt, Ärzte ordneten sofort eine Dialyse an. Zwei Wochen lag er im Wachkoma, dann erholte er sich langsam wieder, so gut es eben ging. Dreimal in der Woche muss er auch heute noch zur Dialyse, jedes Mal ist es ein großer Aufwand, aus dem Haus zu gehen und ins Ärztezentrum zu fahren, gerade jetzt im Winter, wo es so kalt ist draußen und er so geschwächt ist, dass er sich leicht erkältet.

43 Kilo wiegt Amadou K. nur noch, bei einer Körpergröße von etwa 1,65 Metern. Seit der letzten Operation hat er acht Kilo abgenommen. Seine Klamotten hat er von der Caritas, aber inzwischen ist ihm schon alles wieder zu weit: Die Hose baumelt an den dürren Schenkeln, den Pullover könnte er zwei Nummern kleiner gebrauchen. Ständig friert es ihn, vor allem an den Füßen, sagt K., er zieht kurz seine Hausschuhe aus, um zu demonstrieren, dass er gar nicht mehr weiß, was er gegen die Kälte machen soll. Während des Gesprächs entschuldigt er sich zweimal, das Sprechen und das Schlucken bereiten ihm Schmerzen. Er muss sich dann kurz erholen, und immer wieder muss er heftig husten.

Die Probleme mit dem Kehlkopf begannen, als er gerade mit seiner Niere einen weiteren Rückschlag verkraften musste: 2013 bekam er eine Spenderniere, die Operation verlief gut, aber die Freude hielt nur kurz. Drei, vier Tage nach der OP war der Magen voller Blut, der Körper stieß die fremde Niere ab. Ob er je wieder so eine Chance bekommt, weiß K. nicht. Er weiß auch nicht, ob er die Kanüle in seinem Hals wieder loswird. Die einen Ärzte sagen so, die anderen so. Ein Jahr nach der fehlgeschlagenen Nieren-Operation diagnostizierten sie ein Karzinom in seinem Kehlkopf. K. musste zur Chemotherapie, das volle Programm. Der Krebs war weg, so schien es, doch 2015 kam er wieder - also noch eine Operation.

Eine rechtliche Betreuerin kümmert sich um K., sie hilft ihm auch bei all dem Papierkram. Beim Logopäden übt K. zu sprechen und vor allem zu schlucken. Erst wenn er kontrolliert so schlucken kann, dass garantiert keine Essensreste in die Luftröhre gelangen, hat K. Chancen, die Kanüle wieder loszuwerden. Bis dahin ist es ein harter und schmerzhafter Weg. Wenn er trinkt, muss er dem Tee oder Wasser ein Pulver beimischen, das hilft beim Schlucken. Für die Krankenkasse aber ist der Fall klar: So ein Pulver, das fällt unter Nahrungsergänzung, nicht unter Arzneimittel. K. hat also hohe Ausgaben für die vielen Medikamente, die er so benötigt, wo er doch nicht einmal einen Schrank hat, in dem er all das Zeug unterbringen könnte.

Ein bisschen Unterstützung zu seiner Rente könnte Amadou K. deshalb gut gebrauchen. Auch für warme Kleidung, die ihm nicht zu groß ist, und für einen neuen Staubsauger - der alte ist kaputt gegangen.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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