SZ-Adventskalender:Alles auf Anfang

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Die Umstellung, plötzlich alleinerziehender Vater zu sein, war für Thomas W. einfach. Aber im Alltag fehlen viele Dinge

Von Inga Rahmsdorf, München

Thomas W. lebt mit seinen Kindern noch in einem Übergangsheim. (Foto: Catherina Hess)

Thomas W. wünscht sich einen Neustart, ohne Schreien, ohne Schimpfen, ohne Gewalt. Einfach nur in Ruhe mit seinen Kindern leben. In den vergangenen Jahren war das nicht möglich. Seine Frau ist psychisch erkrankt, und im Laufe der Zeit wurde die Situation immer schlimmer, bis sie für die ganze Familie unerträglich wurde. Bei jeder Kleinigkeit ist die Frau von Thomas W. ausgerastet, hat geschrien. Sie hat die Familie tyrannisiert, ihren Mann und die Kinder geschlagen. "Wenn sie etwas gesagt hat, und wir es nicht sofort gemacht haben, ist sie explodiert", sagt der 37-Jährige. Alles, was er oder die Kinder gemacht haben, sei falsch gewesen. Es war nicht mehr auszuhalten, erzählt der Familienvater. Bis das Jugendamt sich eingeschaltet hat. Die Mutter kam in eine Klinik, seitdem kümmert sich W. allein um die vier und fünf Jahre alten Kinder. Mit der Mutter dürfen sie nur noch telefonieren.

Die Umstellung, plötzlich alleinerziehender Vater zu sein, sei gar nicht so schwer gewesen, sagt Thomas W. Seitdem er mit seinen zwei Kindern allein lebe, sei die Situation so viel besser. "Die Kinder sind viel ruhiger. Ich spiele mit ihnen, verbringe Zeit mit ihnen und kuschel mit ihnen", erzählt der Vater. Das war alles nicht möglich, als seine Frau noch mit ihnen gewohnt hat. In dem kleinen Kinderzimmer stehen zwei Betten, die Decken sind mit bunter Bettwäsche bezogen. Der Sohn und die Tochter sitzen auf dem Teppich dazwischen und spielen mit Legosteinen, die noch aus der Kindheit ihres Vaters stammen, und naschen nebenher kleine Würstchen. Der Junge steht auf und steckt seinem Vater eines in den Mund. "Die Kinder müssen alles nachholen, was sie in den vergangenen Jahren nicht machen durften", sagt Thomas W. Auf den Spielplatz gehen, an der Isar spazieren, die Großmutter besuchen. Die Mutter hatte es ihnen nicht erlaubt.

Die drei wohnen nun in einem Clearinghaus, einem Übergangsheim, in dem die Stadt München wohnungslose Familien unterbringt. Die Familie musste bereits vor zwei Jahren ihre damalige Wohnung verlassen. "Weil wir so laut waren, weil meine Frau so viel geschrien hat", sagt W. Seit zwei Jahren versuchen sie, eine neue Wohnung in München zu finden. Thomas W. hofft, dass es im kommenden Jahr klappt, jetzt, da sich ihre Situation langsam beruhigt. Allerdings hätten sie dann nichts, keine Betten, keine Decken, keine Möbel. Alles, was in der kleinen Wohnung ist, gehört dem Übergangswohnheim.

Thomas W. arbeitet als Lackierer und Maler. Morgens bringt er die Kinder in den Kindergarten, fährt dann zur Arbeit, holt die Kinder am Nachmittag wieder ab, spielt mit ihnen, kocht, wäscht und bringt sie ins Bett. Nebenher versucht er noch, eine Wohnung zu finden. Weil er für die Kita und seine Arbeit quer durch die Stadt fahren muss und der Kindergarten um 17 Uhr schließt, musste W. seine Arbeitszeit reduzieren. Finanziell ist die Situation seitdem auch schwierig geworden. Er selbst wünsche sich nichts, sagt Thomas W., nur einen ruhigen Alltag mit seinen Kindern. Aber er würde seinen Kindern gerne etwas zu Weihnachten schenken, die Kinder wünschen sich ein großes Feuerwehrauto.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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