Streit um Sauna-Kultur:Nie wieder Nirwana, nie wieder Hirschgehege

Lesezeit: 4 min

Gehört "Antipoden-Akrobatik" oder "meditatives Qi Gong" in eine Sauna? Vielen gefallen die neuen Thermen-Trends, andere zweifeln jedoch daran, dass dies dem wahren Wesen der Sauna entspricht.

Katja Riedel und Michael Ruhland

Nie wieder Nirwana - von Katja Riedel

Bäder und Thermen
:Diese Saunen in Bayern sind einen Besuch wert

Vom Wellness-Tempel in Erding über das Montemare am Tegernsee bis zur Europa Therme in Bad Füssing: Unsere Empfehlungen für Bayern.

Von Henriette Busch und Ana Maria Michel

Und irgendwann erzählt sicher irgendwer diesen Witz. Mit der Pointe, dass "Sauna" daher stamme, dass man sich darin so "sau nah" komme. Sagt's und schüttelt sich vor Lachen, auf dass die Spritzer seines teuer erkauften Schweißes von seinem Körper auf das Handtuch oder, noch schlimmer, die Haut des Nebenschwitzers tropfe.

Nein, dies hier ist keine Verdammung des Saunierens an sich. Denn Saunieren an sich entspannt nicht nur, sondern ist auch gesund, es stärkt die Abwehrkräfte und hebt die Laune, wenn man nach dem Wüstensturm im Holzhüttchen durch den Schnee rennt, um sich in den eiskalten See zu werfen (oder sich zumindest, wenn der See fehlt, einen Eimer eiskalten Wassers über den Kopf zu schütten).

Allein, das Saunieren an sich, es ist verschwunden, in Resten am Leben gehalten in den Reservaten der Bodenständigkeit: den Privat- und Vereinssaunen, in denen noch mit einfachsten Ingredienzien aufgegossen (Zitrusaufguss aus der Apotheke) und gewedelt wird, ganz ohne Schamanenzauber und anderen esoterischen Hokuspokus.

Dieser neumodische Kram nämlich ist ganz und gar ungesund, dieser Aufgusszirkus, der magische Dufterlebnisse verspricht: mit bei Mondschein von arabischen Kindern gezupften Rosenblüten, mit künstlichen Granatapfel-Minztee-Aromen, deren Flaschen aussehen, als bewahre sie ein Chemielehrer im Giftschrank auf, und auf denen steht, dass es sich um hochentzündliche, hochgiftige Substanzen handele.

Und mit einem Gesicht des Saunameisters, das bedeutet, er werde nun nicht einfach kaltes, mit künstlichen Aromen angereichertes Wasser auf einen heißen Stein gießen, um dann mit dem Handtuch die Luft in Zirkulation zu versetzen, sondern, nein: Er werde nun nicht weniger als ein Kunstwerk vollenden.

Für das bekommt er am Ende, unter Juchzen des Saunavolkes, das dicht gedrängt auf meist zu kleinen Handtüchern kauert, schallenden Applaus und Fußgetrappel. Beides nimmt er mit Stolz, und, ja wirklich, manchmal sogar mit einer Verbeugung entgegen, mit nichts als einem Leinen- oder Handtuch um die Lenden.

Doch lächerlich ist nicht nur der Anblick, sondern der Kult um etwas, dessen größter Vorzug einst war, lässig zu sein, nackt und ungeschminkt. Die weltgrößte Saunalandschaft steht bekanntlich in Erding, und dort erwartet die Besucher im Januar nicht weniger als eine Reise ins Land des Lächelns, "Antipoden-Akrobatik mit Wang Fei, chinesischer Löwentanz, Obstschnitzkunst und Showtänze aus Thailand sowie Kalligraphie oder meditatives Qi Gong" bei der Mitternachtssauna inklusive, heißt es auf der Internetseite der Therme. Zu haben für stattliche, aber wenig familienkompatible 37 Euro am Tag.

In Finnland, an das die deutschen Aufgusssaunen nur mehr dem Namen nach erinnern, schüttelt man über derlei Tamtam nur ungläubig die Köpfe. Diese verrückten Deutschen!

Wie die Finnen so saunieren? Ganz einfach, in ihrem Häuschen, mit duftlosem Wasser, in das höchstens ein wenig Birkenaroma oder Teer hineingeträufelt wird. Es gilt die Regel: "Sillä puheet kenellä kuuppa", frei übersetzt: "Wer die Kelle hat, hat das Wort", und die Kelle hat der, der am nächsten am Ofen sitzt. Saunameister und Handtuchwedeln gibt es nicht.

Ins Nirwana möchte auf diese Weise kein Finne gelangen, die Finnen wollen sich einfach auf angenehm warme Art reinigen. Wie in einer großen, heißen Gemeinschaftsbadewanne, mit Familie und Freunden. Und manchmal sogar mit Bier und Würstchen, die sie auf dem Ofen grillen.

In die Eventsaunen-Wellnesssprache ließe sich das übrigens problemlos übersetzen: in einen ursprünglichen Barbecue-Würz-Guss aus den tiefen Wäldern des Nordens. Eine Weißbiersauna gibt es ja schon im Erdinger Thermenparadies.

Lesen Sie auf der nächsten Seite die Gegenthese von Michael Ruhland.

Bäder und Thermen
:Diese Saunen in Bayern sind einen Besuch wert

Vom Wellness-Tempel in Erding über das Montemare am Tegernsee bis zur Europa Therme in Bad Füssing: Unsere Empfehlungen für Bayern.

Von Henriette Busch und Ana Maria Michel

Nie wieder Hirschgehege - von Michael Ruhland

Bäder und Thermen
:Diese Saunen in Bayern sind einen Besuch wert

Vom Wellness-Tempel in Erding über das Montemare am Tegernsee bis zur Europa Therme in Bad Füssing: Unsere Empfehlungen für Bayern.

Von Henriette Busch und Ana Maria Michel

Es ist noch gar nicht so lange her, da glichen öffentliche Saunen Gehegen, die für eine bestimmte Spezies angelegt zu sein schienen. Ältere Großtrommelträger stolzierten gockelgleich über die feuchten Fliesen, um ihr Revier im Blick zu halten und nach interessanten Geschehnissen Ausschau zu halten. Ein Handtuch um die Hüften hielten sie für entbehrlich, man war ja unter sich.

Drang man dort als nicht zum Rudel Gehöriger ein, dann beäugten einen die Platzhirsche misstrauisch. Neugierige Blicke verfolgten jede Handlung, egal, ob man nun ein Magazin zum Lesen auspackte oder aus einer Thermosflasche Tee in einen Becher goss. Entspannung fand man selbst in den als Ruhezonen ausgewiesenen Bereichen selten, weil dort entweder geschnarcht wurde oder einer von seinen Räuschen im All-inklusive-Hotel in Hurghada berichtete.

Besonders schlimm war, als Paar eine öffentliche Sauna auf dem Land aufzusuchen. Schlagartig galt die Aufmerksamkeit dem weiblichen Wesen, das im Gehege nur selten vorkam - und wenn, dann in Form rudelkonformer Gruppen, die den Saunabesuch als verlängerten Vereinsabend begriffen, über die Stillprobleme der Töchter fachsimpelten und natürlich nicht versäumten, die genauen Umstände der Entbindungen zu referieren und im Anschluss über die Unbilden der Wechseljahre zu schimpfen.

Aber zurück zu den männlichen Großtrommelträgern: Wenn besonders unangenehme Blicke ausziehen können, was tun dann solche Blicke, wenn es nichts mehr auszuziehen gibt? Exakt, sie durchdringen, sie penetrieren. Selbst als (der vom Rudel ignorierte) Partner sah man sich in solchen Fällen nolens volens in eine Abwehrhaltung gedrängt, Beschützerinstinkte wurden wach. Manchmal half ein böser Blick gegen die Voyeure - doch der Spaß am Saunieren war dahin.

Es konnte einem auch passieren, dass selbsternannte Bademeister den Aufgusskübel schnappten und, vom Rudel angefeuert, so lange mit der Kelle mit billigen Aufgussölen versehenes Wasser auf die glühenden Steine gossen, bis einem der heiße Dampf schier die Haut verbrühte. Aufrufe zur Mäßigung quittierten die Stammgäste entweder mit schallendem Gelächter oder üblen Weicheisprüchen.

Man könnte noch viel über das oft grässlich kitschige und meist gammelige Interieur früherer Sauna-"Landschaften" erzählen, auch darüber, dass diese Landschaften in Ecken, Winkeln und hinter Holzabdeckungen und Plastikblenden auf eine Art und Weise lebten, wie sich das kein Mensch wünschen konnte. Und darüber, dass man als Mann auch den falschen Tag in der falschen Sauna erwischen konnte und sich im falschen Film wähnte.

Zum Glück sind solche Saunen inzwischen Fossile. Zum Glück haben Kommunen, private Betreiber und die meisten Fitnessstudios erkannt, dass Saunen etwas mit Wohlfühlen zu tun hat. Man geht schließlich in die Sauna, weil man die Hektik der Stadt und des Alltags draußen lassen und eintauchen will in einen eigenen Kosmos. Je liebevoller und aufwendiger der hergerichtet ist, desto besser gelingt das. Saunagehen ist etwas Sinnliches - man will ja seinen Körper pflegen.

Wunderbar etwa, wenn der Duft von Birkenreisig durch die Kelo-Sauna wabert und der Saunameister zuvor die Zeremonie des Wenik-Aufgusses erklärt. Fabelhaft, wenn man sich nach dem Schwitzen mit Eiswürfeln Arme und Beine einreiben kann und auf einem Tablett Tee angeboten wird. Schön, wenn man wählen kann, ob man lieber ein Salzpeeling oder einen Bieraufguss ausprobieren will - und sich nach dem letzten Gang ein kühles Weißbier servieren lässt.

Das Schönste an der neuen Saunavielfalt ist manchmal, dass man sich das ganze Brimborium auch sparen kann und gleichzeitig dessen größten Vorzug genießt: Nach den Aufgüssen hat man die jeweilige Sauna meist ganz für sich allein.

© SZ vom 27.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bäder und Thermen
:Diese Saunen in Bayern sind einen Besuch wert

Vom Wellness-Tempel in Erding über das Montemare am Tegernsee bis zur Europa Therme in Bad Füssing: Unsere Empfehlungen für Bayern.

Von Henriette Busch und Ana Maria Michel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: