Strafprozess:Blutiger Streit um fünf Euro

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  • Ein 19-Jähriger soll einem Mann aus Eritrea eine abgebrochene Bierflasche in den Hals gerammt haben.
  • Louay M. steht vor dem Landgericht München I nun wegen versuchten Totschlags.
  • Das Opfer allerdings ist kurioserweise nicht auffindbar: Filmon T. ist nach einer Verhandlung gegen ihn wegen Drogenhandels abgetaucht.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

Louay M. steht vor dem Richtertisch. Der 19-Jährige will demonstrieren, wie er mit einem Messer am Arm verletzt wurde. Ihm gegenüber steht der Dolmetscher für arabische Sprachen. Louay holt mit einem Kugelschreiber leicht aus und streift den Dolmetscher am rechten Arm. "Nein, Herr M., so kann es nicht gewesen sein", sagt Richterin Sigrun Broßardt schon etwas entnervt.

Verteidiger Peter Pospisil weist seinen Mandanten an, besser gar nichts mehr zu sagen. Der 19-jährige Libyer steht vor dem Landgericht München I wegen versuchten Totschlags. Er soll einem Mann aus Eritrea eine abgebrochene Bierflasche in den Hals gerammt haben. Das Opfer allerdings ist kurioserweise nicht auffindbar: Filmon T. ist nach einer Verhandlung gegen ihn wegen Drogenhandels abgetaucht.

"Es bestand zumindest abstrakte Lebensgefahr"

Louay M. ist auffallend dünn und schlaksig. Seine Beine stecken in einer grauen Jogginghose, die an den Waden so eng sitzt, dass zwei dürre Stecken zum Vorschein kommen. Sein Gesicht ist kindlich und passt kein bisschen zu einem brutalen Schläger. Und doch soll er am Abend des 28. Juli 2016 trinkend am Hauptbahnhof gestanden und etwa vier Flaschen "Elephant"-Starkbier gekippt haben, so ließt es sich in der Anklage. Dann soll Filmon T. ihm fünf Euro in die Hand gedrückt und gesagt haben, er solle im Supermarkt Nachschub organisieren. Louay M. und sein Freund Ali S. verschwanden in Richtung Schillerstraße. Als weder Louay M. noch das Bier wieder auftauchten, soll Filmon T. sie gesucht und vor einem Imbiss an der Schillerstraße zur Rede gestellt haben.

"Money! Come back! My five Euro!", soll er gerufen haben. Dem Streit folgte ein Gerangel und nach einem Schubser soll Filmon T. in die Knie gegangen sein. In diesem Augenblick soll Louay M. die Bierflasche in seiner Hand abgeschlagen und sie dem anderen in den Nacken gerammt haben. Das Opfer erlitt eine stark blutende Schnittwunde, "es bestand zumindest abstrakte Lebensgefahr", so der Staatsanwalt. Louay M. flüchtete in eine Jugendhilfeeinrichtung, in der er untergebracht ist. Dort wurde er wenige Stunden später festgenommen.

Die Version, die der 19-Jährige erzählt, klingt ganz anders: Er berichtet von zwei unbekannten Männern, die ihn angegriffen und verletzt hätten, dass er dem Opfer höchstens zwei Kopfstöße versetzt und mit den Stichen in den Hals nichts zu tun habe. Anschließend sei eine Gruppe von Männern auf ihn zu gerannt, deswegen sei er geflüchtet. Außerdem habe er am linken Unterarm eine Narbe, die vom Messerangriff des einen Mannes stamme. Die Verletzung sei am Tag nach dem Vorfall in der Rechtsmedizin fotografiert worden, behauptet er. "Nein", sagt die Richterin. So ein Foto existiere nicht. Es gebe nur Bilder von alten Narben. Das Urteil wird am 30. Juni verkündet.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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