Zu Mariä Himmelfahrt:Würziges Wunder

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Am Dienstag werden in den Kirchen wieder die Kräuterbuschen gesegnet, denen die ländliche Bevölkerung besondere Heilkräfte und Schutzfunktionen zuschreibt. Frauen wie Martina Schlögl und Eva Schickhaus binden jedes Jahr Hunderte von Sträußen

Von Blanche Mamer, Starnberg

Martina Schlögl aus Argelsried kümmert sich seit 15 Jahren darum, dass der Brauch des Kräuterbuschen-Bindens in Gilching gepflegt wird. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ungewohnt bunt und würzig duften wird es am Dienstag bei den Gottesdiensten in den Kirchen des Fünfseenlands. Denn zu Mariä Himmelfahrt am 15. August werden traditionell die Kräuterbuschen gesegnet. Die bunten Sträuße werden nur noch in den seltensten Fällen von den Gläubigen selbst früh morgens gesammelt, meist sind es Mitglieder des Pfarrgemeinderats, des Frauenbundes oder kräuterkundige Ehrenamtliche, die sich um das Sammeln und Binden kümmern.

Wildkräuter zu kennen und zu finden, das war einmal lebenswichtig. Man brauchte sie als Hausapotheke, um Krankheiten und Unpässlichkeiten zu kurieren, und oft waren sie die einzige Möglichkeit, die Mahlzeiten mit Vitaminen zu ergänzen. Einzelnen Kräutern wurden allerdings auch magische Kräfte zu geschrieben. Die katholische Landbevölkerung glaubt seit Jahrhunderten an die Extra-Heilkräfte der an Mariä Himmelfahrt gesegneten Kräuterbuschen: Auf dem Dachboden aufgehängt, soll der geweihte Strauß vor Blitzschlag schützen, unter dem Kopfkissen garantiert er Eheglück und Kindersegen, im Viehfutter fördert er die Gesundheit der Tiere und im Kochtopf das Wohlbefinden des Menschen.

In den Dörfern der Region wird das Brauchtum heute noch gepflegt, selbst wenn der Glaube nicht mehr so fest ist wie früher. Schon Wochen vor dem hohen kirchlichen Fest merken sich die Kräuterkundigen, wo am Waldrand, am Feldrain, auf Kiesflächen oder an den Wegen die richtigen Pflanzen wachsen. Was traditionell in einen Kräuterbuschen gehört, ist von Ort zu Ort verschieden, auch die Anzahl der Kräuter schwankt, immer jedoch geht es um eine mystische oder symbolträchtige Zahl wie sieben, neun, zwölf, 24 oder 33. In alten Büchern werden sogar 77 oder gar 99 verschiedene Kräuter genannt.

Hingucker im Kräuterstrauß ist die Königskerze, die nur an den sonnigsten, wärmsten und trockensten Plätzen zu finden ist. "Die Königskerze, die auch Marienkerze genannt wird, gehört in die Mitte des Straußes", sagt Martina Schlögl aus Gilching-Argelsried. Seit mindestens 15 Jahren ist sie für die Kräuterbuschen zuständig, sammelt und bindet jedes Jahr etwa 120 Sträuße für den Gottesdienst und für den abendlichen Bittgang von Gilching zum Jexhof. "Falls wir nicht genügend Königskerzen haben, nehmen wir Sonnenblumen als Mitte, möglich wäre auch Rosen oder Dahlien." Getreideähren sind wichtig, dazu die gängigen Heil- und Küchenkräuter. Kornblumen und Mohn seien leider schon verblüht, bedauert sie.

Es ist ihr wichtig, dass der Strauß farbenprächtig ist und würzig duftet. Sie erzählt, dass sie den Brauch in Gilching wieder angeschoben habe. "Ich mag Kräuter gern, viele kenne ich seit meiner Kindheit. Ich bin in Frieding aufgewachsen, dort ist die Tradition immer gepflegt worden. Hier in Gilching war es zuerst nicht so, ich war die Einzige, die mit einem Kräuterstrauß zur Kirche ging. Das ist dem Pfarrer aufgefallen, und er fragte mich, ob ich nicht das Sammeln und Binden übernehmen wolle", erzählt sie. Gesammelt wird am Samstag und Sonntag, 12. und 13. August, gebunden wird am Montag, 14. August, von 14 Uhr an. "In unserer Garage, Dorfstraße 2, da könnte ich noch ein paar Helferinnen mehr gebrauchen", meint sie.

"Seit Wochen merke ich mir, wo, welche Wildpflanzen stehen und hoffe inständig, dass sie nicht abgemäht werden, bevor ich zum Pflücken gehe. Ich weiß eine Stelle, wo so schöne Wegwarten blühen, und jetzt ist meine Sorge, dass die Gemeinde noch kurz vor dem Hochfest die vermeintlichen Unkräuter entfernt", erzählt Eva Schickhaus vom Frauenbund in Aufkirchen. In der Pfarrgemeinde Mariä Himmelfahrt Aufkirchen, die auch Patrozinium feiert, organisiert sie das traditionelle Kräuterbinden. "Wir brauchen mindestens 100 Gebinde", sagt Schickhaus, die vor bald 30 Jahren die Aufgabe übernommen hat. "Einige Frauen, die noch die richtigen Stellen kennen, sammeln mit ihren Familien. Sie bringen auch Kräuter und Blumen aus ihren Gärten mit. Im Pfarrheim wird alles sortiert und auf langen Tischen ausgelegt. "Mit dem Binden beginnen wird am Montag um 13 Uhr und sind meist bis abends beschäftigt", erzählt sie. Die Buschen werden vor dem Festgottesdienst gegen einen kleinen Obolus abgegeben, der Erlös kommt einem Sozialprogramm der Gemeinde zugute.

"Früher haben die Familien noch selbst gesammelt. Jetzt sind sie verwöhnt und haben sie sich daran gewöhnt, die gebundenen Buschen gegen ein kleines Entgelt mitzunehmen", stellt Irene Klaußner aus Gauting fest. Sie hat viele Jahre die notwendigen Wildkräuter gesammelt und sich um das Binden gekümmert. Vor drei Jahren hat Johanna Krepold vom Gautinger Frauenbund die Aufgabe übernommen. "Leider geht das Wissen um die christlichen Sitten und Gebräuche immer mehr verloren", bedauert sie.

Einige befreundete Frauen unterstützen sie bei der Suche nach Heilpflanzen, die Buchendorfer Gärtnereien spenden Würzkräuter. Krepold geht davon aus, dass sie nur sieben Kräuter pro Strauß verwenden wird. Als besonderes Extra bindet sie ein Bändchen mit einem christlichen Sinnspruch über "Gottes Hand beim Wachsen und Gedeihen" in jeden der etwa 100 Sträuße.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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