Workshop:Das Rot als Stimme einer Frau

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Normalerweise dauern ihre Seminare mehrere Tage. Für den Bernrieder Kultursommer macht Christine Philipp eine Ausnahme. (Foto: Georgine Treybal)

Die Buchautorin und Verlegerin Christine Philipp erklärt Kursteilnehmern die unterschiedlichen Wirkungen von Farben

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Draußen ist alles grau in grau: Regenwolken türmen sich am Himmel, das Wasser im Starnberger See hat eine schmutzig-graue Farbe, ebenso die Kieselsteine vor dem Buchheim-Museum. Rund ein Dutzend Teilnehmer haben sich dort zu einem Workshop unter dem Motto "Farben - Seelenpfade des Lichts" eingefunden. Die Bernrieder Buchautorin und Verlegerin Christine Philipp bietet das Seminar im Rahmen des Bernrieder Kultursommers an.

Von der Dozentin erfahren die Teilnehmer, dass es insgesamt 196 Abstufungen von Grau gibt. Grau sei eigentlich keine eigene Farbe, erklärt Philipp, die in ihrem erlernten Beruf als Ingenieurin für Drucktechnik schon immer mit Farben zu tun hatte. Heute schreibt sie neben Krimis und Romanen auch Reiseführer und gibt Bildbände heraus. In der Bernrieder Kunstausstellung ist sie mit Fotokunst vertreten.

Normalerweise dauern Philipps Seminare mehrere Tage. Teilnehmer sind Menschen, die beruflich mit Farbe zu tun haben, wie Künstler, Heilpraktiker oder Psychologen. An diesem Tag versucht sie einem bunt gemischten Publikum innerhalb von drei Stunden komprimiertes Wissen zu vermitteln. Ausgerüstet mit Handys und Digitalkameras begeben sich Besucher im Alter zwischen 18 und knapp 80 Jahren auf die Suche nach Grautönen. Fündig werden sie bei Künstlern wie Gerd Eisenblätter oder Wieland Hölzel. Die Expressionisten verwenden weniger Grautöne, dafür aber Rot. Rot steht für Blut, Feuer und Flammen, für den Schmerz, mit dem Künstler ihre Erlebnisse im Ersten Weltkrieg verarbeiteten. Rot kann aggressiv sein. In roten Küchen werde mehr Geschirr zerschlagen, als in andersfarbigen Küchen, erzählt die Seminarleiterin. Es gebe aber auch ein fröhliches, aufbauendes, warmes Rot wie bei dem Kunstwerk "Eye of Goldfish" von Ruth Fancher-Brinkmann. Rot sticht ins Auge und steht für Liebe und Leidenschaft.

Farben seien mit Stimmungen und Gefühlen verbunden. Für den Synästhetiker Wassily Kandinsky beispielsweise habe die Farbe Gelb wie eine Trompete geklungen. Der Expressionist Emil Nolde habe die Stimme seiner Frau als rote Farbe gesehen, so Philipp. Sie versucht den Teilnehmern zu vermitteln, warum Künstler zu einer ganz bestimmten Farbe greifen. Deshalb soll der Blick aufs Detail gelenkt und von einem Bild nur ein ganz kleiner Ausschnitt fotografiert werden.

Stefan Drosner aus Puchheim macht sich auf die Suche nach dem Blau der Künstlergruppe Blauer Reiter. Er nehme immer seine Kamera mit ins Museum, sagt er. Auf diese Weise könne er die Kunst mit nach Hause nehmen. "Man sieht oft viel mehr als im Museum", sagt er. Man könne erneut Erinnerungen und Gefühle abrufen und dabei Neues entdecken. Manche Details blieben verborgen, wenn im Museum viele Besucher vor einem Kunstwerk stehen. Zuhause könne er sich in Ruhe mit einem bestimmten Farbton oder einem Pinselstrich befassen. Das Seminar habe ihm zwar fototechnisch nichts gebracht, aber Drosner fand es interessant. "Mit diesem Aspekt habe ich mich bislang noch nie beschäftigt."

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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