Wir öffnen Türen:Schreckensszenarien unter der Erde

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Im Keller des Landratsamtes Starnberg befindet sich die Einsatzzentrale des Katastrophenschutzes. Der Führungsstab spielt dort fiktive Großeinsätze wie die Explosion einer Tankstelle oder ein Bahnunglück durch

Von Christian Deussing, Starnberg

Der Feuerwehrmann zwängt sich in voller Montur mit Atemschutzgerät aus dem engen Tank. Markus Helldörfer ist konzentriert, denn er soll keine Fehler machen und hat für die 80 Meter lange Strecke nur für maximal eine halbe Stunde Pressluft in seiner Flasche. Der 31-Jährige aus Percha muss im Dunkeln auch durch Röhren und vergitterte Gänge kriechen, die einem Raubtierkäfig ähneln. Er befindet sich auf einer speziellen Übungsstrecke für Feuerwehrleute im Keller des Starnberger Landratsamtes, verborgen hinter mehreren Brandschutz- und Sicherheitstüren.

Das Training wird von sechs Kameras und einem Beobachter am Steuerungspult mit Sprechanlage überwacht und anschließend bewertet, erklärt Markus Reichart. Er ist Leiter des Amtes für Öffentliche Sicherheit und Ordnung und kennt als früherer Kreisbrandrat jede Tücke und Engstelle des simulierten Parcours. Die Feuerwehrleute mit Atemschutzmaske müssen ihre Kondition auch auf einem Laufband und durchlaufenden Sprossen unter Beweis stellen. Zur weiteren Aufgabe gehört es, in einem installierten Zimmer eine Übungspuppe zu bergen - auch im Dunkeln und natürlich unter Zeitdruck. Es sei zudem äußerst wichtig, in dem vergitterten Laufweg Hindernisse wie gespannte Leinen zu erkennen und sich zu zweit "gegenseitig zu unterstützen", betont Reichart.

Markus Helldörfer muss mit der Atemschutzmaske auch aus einem Tank kriechen. (Foto: Georgine Treybal)

Nun öffnet er in einem anderen Kellerbereich weitere gut gesicherte Türen. Der Weg führt über Gänge in einen großen Raum mit mehr als 40 Schreibtischplätzen. Landkreiskarten im größten Maßstab und eine Tafel mit vielen Magneten, die unter anderem Großbrände, Hochwasser oder explosives Gefahrengut symbolisieren, sind aufgehängt. Die Klötzchen zeigen, wo sich beispielsweise gerade die Schnelleinsatzgruppe (SEG) oder Suchhunde befinden. Reichart steht in der Starnberger Katastrophenschutz-Einsatzzentrale, in der schlimmste Szenarien aus der Region durchgespielt werden. So musste der Führungsstab zuletzt einen "Großeinsatz" koordinieren, bei dem angenommen wurde, dass ein Baukran auf einen Supermarkt in Starnberg gestürzt wäre. Der Alarm lautete: "32 Verletzte, zwei Tote, unbestimmte Zahl von Verschütteten".

Jetzt heiße es, Ruhe zu bewahren und so professionell wie effizient zu handeln. Die sogenannten "Sichter" würden die eingehenden Mails, Faxe und Funksprüche gezielt an den Stab weitergeben. Dort sitzen Führungskräfte der Feuerwehr, Polizei, der Rettungsdienste und des Technischen Hilfswerks (THW), aber auch Verbindungsleute zur Bundeswehr. Nach der Zugkatastrophe von Bad Aibling wurde in der Starnberger Einsatzzentrale auch ein Bahnunglück als Übung angesetzt. Dabei mussten Feuerwehrleute und weitere Rettungshelfer zur eingleisigen und schwer zugänglichen Bahnstrecke zwischen Herrsching und Hechendorf dirigiert werden. Es waren dort - so die fiktive Eilmeldung - zwei S-Bahnzüge zusammengestoßen. Auch mit dem Fallbeispiel "Explosion in einer Tankstelle" hatte die Einsatzzentrale in Starnberg bereits zu tun.

Im Keller des Landratsamtes befindet sich die Einsatzzentrale, wo Markus Reichart die "Sicherheitslage" erklärt. (Foto: Georgine Treybal)

Die Abläufe würden genau protokolliert, um danach Fehler und Schwachstellen zu analysieren, erläutert Reichart. Denn im Ernstfall geht es um Sekunden und Minuten - um Leben zu retten.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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