Theater:Asyl im Himmel

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Die Gymnasiasten spielen überzeugend und nahezu fehlerfrei. Den Boandlkramer schließt der Zuschauer sofort ins Herz. (Foto: Privat)

Die Theatercompagnie des Otto-von-Taube-Gymnasiums zeigt heuer den "Brandner Kaspar" - ergänzt um aktuelle Gautinger Gesprächsthemen

Von Florine Pfleger, Gauting

Schon immer war es allein eine Manier der Resignierten, über den Tod zu schwadronieren, denn es ist doch so: Was Angst macht, wird gemieden. Deshalb ist die Geschichte über den Brandner Kaspar auch ein zeitloses Novum. Der Leiter der Theatercompagnie des Otto-von-Taube-Gymnasiums Markus Hagenbucher hat mit dem "Brandner Kaspar" ein urbayrisches Stück als diesjähriges Sujet gewählt. Die Geschichte, die Franz von Kobell schon vor 147 Jahren geschrieben hat, erzählt vom liebenswerten, aber nicht gerade rechtschaffenen Brandner Kaspar, den der Boandlkramer, also der Tod, in seinen alten Jahren abzuholen gedenkt. Doch der Witwer beschwipst ihn mit Kirschgeist und betrügt ihn dann im Kartenspiel um weitere 18 Lebensjahre. Die werden ihm sobald lästig, denn seine Enkeltochter Marei stirbt nur drei Jahre später, welche ihm noch der einzig liebe Mensch gewesen war. Also lässt er sich schließlich vom Tod überzeugen und wurschtelt sich irgendwie am Fegefeuer vorbei in den Himmel.

Die Erzählung wurde 1871 in einem humoristischen Tagesblatt veröffentlicht. Darauf folgte erst im nächsten Jahrhundert die Theateradaption von Joseph Maria Lutz, die der Ururgroßneffe Kobells, Kurt Wilhelm, im Laufe der Zeit überarbeitete. Wilhelms Fassung wurde vom Münchner Residenztheater bereits mehr als 1000 Mal gespielt. Für Hagenbucher ist es das erste Mal. Der Leiter ist neben dem Lehrerdasein Teil des Ensembles des Bayerischen Staatstheaters und stellt seine Ansprüche weit über laienhaftes Schultheater. Er will reale Verhältnisse schaffen, um die Schüler auf das richtige Theater vorzubereiten. So schrieb er auch Rollen hinzu, wie die der Frau und der Tochter Brandners, um allen Schülern Bühnenerfahrung zu ermöglichen. Seiner Adaption haucht er darüber hinaus geschickt Lokalkolorit ein.

Im ersten Teil des Stücks werden die irdischen Geschehnisse erzählt. Die Wirtshauskulisse schafft es mit Bravour, den angenehm urigen Flair einer solchen Biertrinkstätte einzufangen. Die Enkelin (Lara Bühler) sorgt sich im Tumult aus Gästen bei ihrer Großmutter (Paulina Sporrer) um den Opa Brandner (Philipp Klingan), der bei der Jagd angeschossen wurde. Die Oma entgegnet in weiser Voraussicht: "Irgendwann durfe ma alle zum Herrgott gehe." Und der Kaspar soll der erste sein, am selben Abend nämlich wird er vom Boandlkramer (Sebastian Kemmel) aufgesucht. Eine unheimliche, aber perfekt besetzte Rolle, die man auf komische Art und Weise sofort ins Herz schließt - selbst wenn er dem Brandner Kaspar im Laufe der Geschichte die ganze Familie nimmt. Es ist ein nachdenklicher Gang in die Pause.

Bis einen die zweite, himmlische Hälfte dann wieder aufzuheitern weiß. Sie zeigt nicht nur einen Wolkentraum von Kulisse, sondern verwebt auch galant Brandners Himmelerlebnis mit politischen Statements. Weltpolitisch, bundespolitisch und lokalpolitisch. Die Asylsuchenden Marilyn Monroe (Hannah Keller) und Elvis Presley (Julian Pfender) halten es nicht im amerikanischen Himmel aus, denn auch der Präsident wird ja irgendwann sterben und ein bayrischer Engel (Paulina Sporrer) empört sich über Söder und Seehofer und das umstrittene Gautinger Bauprojekt. Besonders die Kostümierungen der männlichen Engelein bleiben im Gedächtnis: Nackte Burschen, mit einzig einem Lederriemen und einem weißen, kurzen Röckchen. Als der Brandner letztendlich von Gott mit den Wort "Des isch scho guad" freigesprochen wird und der heilige Petrus (Niclas Hofmann) den Boandlkramer für seine Nachlässigkeit begnadigt, würde man am liebsten zu ihnen stoßen. Doch der Boandlkramer führt mit den letzten Worten zurück in die Realität: "Vergesst den Kummer und das Geld, genießt das Leben auf dieser Welt".

Die Dynamik zwischen irdisch und himmlisch ist verblüffend, die jungen Schauspieler sind überzeugend und durch minimale Fehler nur noch charmanter. Hagenbucher hat es geschafft: Das ist kein gewöhnliches Schultheater. Zu Anfang erklärte der Brandner noch beim Kartenspielen: "Wie im echten Leben: Ober sticht Unter". Am Ende weiß man, dass es im Leben gewisse Kniffe gibt, das Blatt zu wenden.

Die Aufführung kann von Montag bis Donnerstag, 19. bis 22. März, in der Aula des Otto-von-Taube-Gymnasiums besucht werden. Beginn ist jeweils um 19 Uhr.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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